Jenifer

Masters of Horror: Jenifer

Masters of Horror: Jenifer; Regie: Dario Argento; USA, 2005.

Darsteller:
Steven Weber (Frank Spivey), Carrie Anne Fleming (Jenifer), Brenda James (Ruby), Harris Allan (Pete), Beau Starr (Chef Charlie), Laurie Brunetti (Spacey), Kevin Crofton (Obdachloser), Julia Arkos (Ann Wilkerson), Jasmine Chan (Amy), Matt Garlick (Wachmann im Institut), Mark Acheson (Freakshow-Direktor), Cynthia Garris (Rose) …

Inhalt:
Während seiner Mittagspause wird Detective Frank zufällig Zeuge einer bizarren Szene: Ein abgerissen wirkender Mann schleppt eine an den Händen gefesselte junge Frau zum Flussufer. In letzter Sekunde kann Frank mit einem gezielten Todesschuss verhindern, dass der gestört wirkende Peiniger sein Opfer mit einem Metzgerbeil tötet. Jenifer, wie die Gerettete heißt, entpuppt sich als des Sprechens nicht mächtig, ihr Gesicht ist entstellt zu einer hässlichen Fratze mit pupillenlosen schwarzen Augen und einem weit in die Wangen gezogenen Mund mit überaus großen und scharfen Zähnen. Aus Mitleid nimmt Frank Jenifer zu sich nach Hause, wo Frau und Sohn wenig angetan sind vom ungebetenen Gast und bald darauf, als Jenifer ihre wahre Natur zeigt und die Hauskatze frisst, fluchtartig ausziehen. Jenifer wird für Frank zum Fluch, der geradewegs ins Verderben führt …

Kritik:
Den Titel eines „Master of Horror“ hat sich Dario Argento mit Meisterwerken wie „Suspiria“ redlich verdient, allerdings liegen seine Meriten Jahrzehnte zurück, so dass die Erwartungen an seinen Beitrag zu der amerikanischen TV-Serie nicht allzu hochgesteckt sind. Sein „Jenifer“ geht auf einen 1974 im Horrorcomic-Magazin „Creepy“ erschienenen Comic von Bruce Jones und Berni Wrightson zurück, die Adaption für den Film besorgte Steven Weber, der auch die Hauptrolle des Frank spielte. Diese Wurzeln merkt man dem Film an: „Jenifer“ ist plakativ, grell, überzeichnet, mit Subtilitäten hält sich Argento nicht auf, sondern inszeniert einen strammen Durchmarsch von Franks erstem Treffen auf Jenifer bis zu seinem reichlich vorhersehbaren Ende.

Wie es dem Comicgenre entspricht – und vom Ansatz her den „Geschichten aus der Gruft“ oder Stephen Kings „Creepshow“ vergleichbar –, wird auf tiefergehende Charakterisierungen oder auf ausführliche Erklärungen weitgehend verzichtet, die Dinge sind halt so, und damit basta. Insbesondere die Figur der Jenifer bleibt rätselhaft, wo kommt sie her (im Comic wird ein außerirdischer Ursprung nahegelegt) und wie ist sie zu dem geworden, was sie ist? Allerdings sind diese Fragen auch relativ unwichtig, da Jenifer ganz klar symbolistisch als Verkörperung der dunkelsten Triebe des Menschen (und von Frank) angelegt ist. Sie ist ein wildes Raubtier, grausam und mitleidlos gegenüber ihren Opfern und maßlos in ihrem Sexualtrieb, gleichzeitig aber verloren, hilfs- und schutzbedürftig, mit wimmernden Lauten Beschützerinstinkte weckend.

Unerklärt bleibt letztlich auch, wie ein harter Cop wie Frank einem solchen Wesen so rückhaltlos verfallen kann. Denn obgleich Jenifer in all ihrem Abstoßenden auch etwas Anziehendes hat, wäre eigentlich zu erwarten, dass spätestens, nachdem ihre animalischen Instinkte ein erstes Menschenopfer zeitigen, Schluss mit lustig ist. Doch, und das muss man einfach so hinnehmen, Frank ist – nicht nur in sexueller Hinsicht – regelrecht „infiziert“, was der Film nicht zuletzt mit einer mehrfach prominent ins Bild gerückten Schnittwunde an Franks Handrücken, welche ihm Jenifer bei ihrer Rettung versehentlich beigebracht hat, deutlich macht – und dabei auch die Möglichkeit einer faktischen „vampirischen“ Infizierung offenlässt. Hinzu kommt wohl, dass Frank in fataler Überinterpretation des bekannten Spruchs von Antoine de Saint-Exupéry „Du bist verantwortlich für das, was du dir vertraut gemacht hast“ eine Art Mitschuld an den mörderischen und kannibalischen Exzessen von Jenifer verspürt.

An Drastik spart Argento nicht, auch wenn die eigentlichen Morde und Angriffe ausgespart werden, gibt es einige explizite Gore-Szenen, in denen Jenifer wahre Schlachtfeste feiert. Das Szenario mit dem kleinen Nachbarmädchen ist dabei – sie wirft Blüten in ein Planschbecken – eine unverhohlene Hommage an die Teichszene in „Frankensteins Braut„. Bei den Darstellern ist besonders die Leistung von Carrie Fleming herauszuheben, lediglich mit animalischen Lauten und einer fantastischen Körpersprache – ihr richtiges Gesicht sieht man in einer kurzen Traumsequenz, ansonsten erlauben die starre Maske und schwarze Kontaktlinsen keinen mimischen Ausdruck – schafft sie es, das ambivalente Wesen von Jenifer zwischen Regression und Aggression perfekt umzusetzen. Steven Weber als Frank spult seine Rolle hingegen etwas statisch ab, ohne sich indes größere Ausfälle zu leisten. Seine zunehmende äußere und innere Verwahrlosung ist allerdings eher dem Handlungsverlauf als seiner Darbietung zu entnehmen.

Alles in allem: Verlangt man nicht zu viel Tiefsinnigkeit – das „philosophische“ Potenzial der Geschichte wird bei weitem nicht ausgelotet –, macht diese im besten Sinne des Wortes als weird zu bezeichnende Episode großen Spaß. Wer allerdings auf einen speziellen „Argento-Style“ hofft, wird enttäuscht sein: Der italienische Kultregisseur beweist zwar mit jeder Einstellung, dass er sich auf sein Handwerk versteht, lässt aber in nur wenigen Kameraeinstellungen und -fahrten etwas von seiner früheren Genialität durchblitzen.



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