Cigarette Burns

Masters of Horror: Cigarette Burns

Masters of Horror: Cigarette Burns; Regie: John Carpenter; USA, 2005.

Darsteller:
Norman Reedus (Kirby Sweetman), Udo Kier (Bellinger), Gary Hetherington (Walter), Christopher Britton (Meyers), Zara Taylor (Annie), Chris Gauthier (Timpson), Douglas Arthurs (Dalibor), Colin Foo (Fung), Gwynyth Walsh (Katja), Christopher Redman (Engelswesen), Julius Chapple (Henri Cotillard), Taras Kostyuk (Kaspar), Brad Kelly (Horst), Lynn Wahl (Taxifahrerin) …

Inhalt:
Kirby Sweetman, Besitzer eines New Yorker Programmkinos und Spezialist für rare Filmschätze, bekommt von einem reichen Sammler namens Bellinger den 200.000-Dollar-Auftrag, den legendären Film „La Fin Absolue du Monde“ zu beschaffen. Bei der Uraufführung kam es zu einem Massenblutbad, seitdem ist das Machwerk, das die Verkörperung des absolut Bösen sein soll, verschollen. Kirbys Recherchen führen ihn nach Paris und nach Vancouver, und je mehr abscheuliche Details er über die Geschichte des Films erfährt, desto faszinierter ist er vom Sujet seiner Suche. Unbedingt will er den Film jetzt auch selbst sehen – ein tödlicher Fehler …

Kritik:
John Carpenter muss man Horrorfreunden nicht lange vorstellen, er hat eine ganze Reihe an Genreklassikern wie „Halloween“ (1978) oder „The Fog – Nebel des Grauens“ (1980) geschaffen, hinzu kommen liebevolle Remakes von Gruselklassikern wie „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982) und „Das Dorf der Verdammten“ (1995). Sein Beitrag zur ersten Staffel der „Masters of Horror“-Anthologie ist ein eklektizistisches Vexierspiel aus bekannten Motiven: Die Rahmengeschichte kennt man aus Carpenters eigenem „Die Mächte des Wahnsinns“ (1994), bloß dass es dort ein Buch und hier ein Film ist, von dem das Böse ausgeht. Hinzu kommen Motive aus Filmen rund um den „Snuff“-Mythos wie „Tesis“ oder „8MM“ sowie einige deutliche Reminiszenzen an „The Ring„, etwa Materialisierungen von Filmfiguren in der Wirklichkeit oder auch ganz konkret die Lichtringe, die Kirby bei seinen Nachforschungen als Fanal der bösen Wirkung des Films immer häufiger sieht. Als „Cigarette Burns“, Brandflecken von Zigaretten, werden diese Lichtringe bezeichnet, und sie sind ein Zeichen für den Vorführer, dass die aktuelle Filmrolle gleich zu Ende ist.

Läuft die ganze Sache noch an wie ein elegant gestylter Verschwörungsthriller, wird schnell klar, dass übernatürliche Kräfte hinter der gesuchten Filmrarität stehen, und im Laufe der Handlung wird auch die Frage nach dem Produzenten von „La Fin …“ deutlich beantwortet: Es ist niemand anders als der Teufel selbst, der hier die Fäden in der Hand hält. Dass sich Protagonist Kirby von solchen Enthüllungen nicht bremsen lässt, ist auf seine eigene verletzte Seele zurückzuführen – Flashbacks zeigen, dass er eine Freundin hatte, die drogenabhängig war und sich schließlich in der Badewanne die Pulsadern aufschnitt. Das sehr zurückgenommene, fast schon stoische Spiel von Norman Reedus (der übrigens auch in „8MM“ eine kleine Rolle bekleidete) befremdet manchmal – als Bellinger (stets elegant-sophisticated: Udo Kier) etwa Kirby seine „Trophäe“ aus dem Film zeigt, hat man das Gefühl, dass dieser nichts weiter Außergewöhnliches daran findet, dass man als exzentrischer Sammler in einem Hinterzimmer einen in Ketten gelegten Engel mit abgeschnittenen Flügeln gefangen hält. Umso mehr hat man den Eindruck, dass Kirby schon früh in den Sog des Films gerät, und schnell ist auch klar, dass dieser Flirt mit dem Bösen für den Helden der Geschichte nur tödlich enden kann.

Obgleich „Cigarette Burns“, veredelt durch einen wunderschönen pianolastigen Score von Carpenters Sohn Cody, sich eher auf atmosphärischen Sohlen in die Gunst des Zuschauers schleicht, gerieten einige Szenen so fies, dass man sie in Deutschland auch einem volljährigen Publikum nicht in voller Gänze zumuten wollte (die deutsche Splendid-DVD ist leicht gekürzt). Speziell die Begegnung Kirbys mit dem Snuff-Filmer bleibt haften, ebenso wie der groteske Selbstmord von Bellinger, der wahrhaft sein Innerstes nach außen kehrt. Doch mehr noch als diese Ingredienzien von Körperhorror beeindrucken subtilere Zutaten wie das äußerst gelungene Engelswesen, das mit seinen langsamen und traurigen Bewegungen eine sehr melancholische Aura zu vermitteln weiß. Auch die wenigen expressionistischen Schwarz-Weiß-Szenen aus dem sagenumwobenen „La Fin Absolue du Monde“, die man als Film im Film zu sehen bekommt, verfehlen ihre Wirkung nicht und geben sich hinreichend symbolisch aufgeladen mit negativen Konnotationen von Ausweglosigkeit, Verzweiflung, Hass, Angst und Gewalt.

Zwangsläufig bleibt eine ganze Reihe von Fragen beim Zuschauer offen, jedoch erhebt „Cigarette Burns“ sicher nicht den Anspruch, sein Thema und seine Geschichte wirklich erschöpfend auszuloten. Auch im Rahmen der begrenzten Laufzeit bleibt der Beitrag eine – erfreulich virtuos geratene – Stilübung, die mit Bezügen zum Fundus des Horrorfilms nicht geizt und Kenner mit vielen Anspielungen verzückt. Seine stärksten Momente hat „Cigarette Burns“ in den ersten zwei Dritteln, wenn noch die Puzzlestücke zusammengetragen werden. Das Finale zieht zwar dann nochmals viele blutige Register, allerdings ist in dem Moment, wo der teuflische Film gefunden ist, das Mysterium um ebendiesen auch entzaubert. Und nichts, was dann tatsächlich passiert, kann dem Pandämonium gleichkommen, das sich der Zuschauer vorher bereits in seinem Kopf herangezüchtet hat.

Auf einer Metaebene, und das macht einen besonderen Reiz dieses gelungenen Beitrags zur „Masters of Horror“-Serie aus, ist bei jemandem wie John Carpenter, der mit Leib und Seele mit der Filmindustrie verwachsen ist, auch die Lesart als böse, kleine Farce möglich, die das beziehungsreiche Geflecht von Entstehung von Filmkults, Eitelkeit von Filmmachern und Macht der Filmkritikergilde genüsslich karikiert und ins Groteske übersteigert. Eine Farce, wie sie nur jemandem gelingen kann, der eine innige Liebe zu den laufenden Bildern empfindet.



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