Masters of Horror: We All Scream for Ice Cream; Regie: Tom Holland; USA, Kanada, 2007.
Darsteller:
William Forsythe (Buster), Colin Cunningham (Virgil), Tim Henry (Papa Joe), Ingrid Tesch (Angela), Spencer Achtymichuk (Young Layne), Brett Kelly (Young Joe), Samuel Patrick Chu (Young Virgil), Cainan Wiebe (Young Toot), Maxwell Neck (Kenny), Brent Sheppard (Kent), Lee Tergesen (Layne), Laura Drummond (Darlene), Quinn Lord (Toby), Lyle St. Goddard (Toot), Brendan Saul (Petey) …
Inhalt:
Alle Kinder lieben Buster, den Clown, ein geistig minderbemittelter und gutmütiger Einzelgänger, der in seinem Eiswagen herumfährt, Eis verkauft und dabei stets gut gelaunt drollige Zauberkunststückchen zum Besten gibt. Doch eine Clique von Kindern, die sich „The West End Bunch“ nennt, hat es auf Buster abgesehen und spielt ihm einen derben Streich mit fatalen Folgen: Buster kommt auf unglückliche Weise ums Leben. Jahrzehnte später erschüttert eine mysteriöse Serie von Todesfällen die kleine Siedlung: Es scheint, als sei Buster zurückgekehrt, um Rache zu nehmen. Seine Eiscreme schmeckt immer noch hervorragend, hat aber eine tödliche Wirkung …
Kritik:
Mit der Mörderpuppe „Chucky“ begründete Tom Holland 1988 ein erfolgreiches Horror-Franchise, das bis 2004 vier Fortsetzungen nach sich zog. Weniger Glück hatte er mit seinen Stephen-King-Verfilmungen „Langoliers“ (1995) und „Thinner“ (1996), die als bestenfalls durchschnittlich gelten. Sein Beitrag „We All Scream for Ice Cream“ basiert auf einer Kurzgeschichte von John Farris, die sich allerdings als munteres Best-of-Konglomerat quer durch das Œuvre von Stephen King entpuppt: Der böse Clown und Kinder, die sich als Erwachsene wieder zusammenraufen müssen, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen, das lässt sofort an „Es“ denken, und die Figur Virgil („In seinem Kopf wohnt ein verrücktes Eichhörnchen“) ist deutlich dem verrückten Henry Bowers nachempfunden. Das Bild des unheimlichen, vor Kälte dampfenden Eiswagens erinnert an „Christine“, und aus „Friedhof der Kuscheltiere“ kennt man das planvolle Frau-und-Kinder-Wegschicken des Protagonisten, um sich alleine dem Endkampf zu stellen.
Besser gut geklaut als schlecht selbst erdacht, könnte man meinen, und „We All Scream for Ice Cream“ hat tatsächlich einiges auf der Habenseite: Schon allein die Idee, dass der aus dem Jenseits zurückgekehrte Clown die Väter umbringt, indem er an ihre Kinder als Voodoopuppen geformtes Eis am Stiel verteilt, ist schlichtweg großartig. Die Kinder schlecken das Eis, und die Väter schmelzen buchstäblich dahin. Cool. Und von der Special-Effects-Crew wird das auch so grandios fies und überzeugend umgesetzt, dass man enttäuscht ist, da nicht häufiger zusehen zu können. Hinzu kommt das fantastisch gute Spiel von William Forsythe als Buster: Er haucht der Figur des retardierten Eisverkäufers Buster, der nur in der spielerischen Interaktion mit Kindern geistreich und originell ist und bei der kleinsten Verunsicherung in heilloses Stottern gerät, auf überzeugende Weise Leben ein, man entwickelt tatsächlich starke Empathie für den tragikomischen Sonderling. Auch Colin Cunningham gibt eine wunderbare Performance des nihilistischen Bürgerschrecks Vergil, der als Kind die Ereignisse ins Rollen brachte.
Lee Tergesen spielt den Helden der Geschichte: Es ist die typische Rolle des kleinbürgerlichen Familienvaters und Spießers, der angesichts einer übernatürlichen Gefahr über sich selbst hinauswachsen muss. Und auch wenn er das prinzipiell nicht schlecht macht, ohne einen allerdings mit Charisma wirklich fesseln zu können, ist sein Layne mitsamt ganzer Familie so clean und idyllisch angelegt, dass es fast schon wieder wie eine Karikatur wirkt – inklusive bravem Vorstadtsex („Lass die Brille auf … ich will dir was diktieren“). Die anderen ehemaligen Mitglieder der „West End Bunch“ bleiben mit Ausnahme von Virgil nicht sehr viel mehr als Abziehbilder und Futter für den zombifizierten Clown. Apropos: Es bleibt zu überlegen, ob die Geschichte nicht noch mehr Stärke hätte entwickeln können, wenn man auf die Clownsnummer verzichtet und einen Buster in normalem Eisverkäuferkittel präsentiert hätte. Denn gerade im Horrorfilmgerne hat sich die Konnotation des Clowns längst ins Gegenteil verkehrt: Wo sie auftauchen, ist sofort klar, dass das Grauen nicht weit ist.
Seine starken Momente hat die simpel angelegte Rachestory in den Rückblenden: die unendlich langen Sommer der Kindheit, die sonnigen Straßen, der sich in Szene setzende Eisverkäufer, das hat Flair und gefällt, auch wenn die Kinderdarsteller teils ein wenig hölzern rüberkommen. Bei den creepy Szenen wird leider weniger auf Buster selbst denn auf sein Gefährt gesetzt, und das viel zu oft eingesetzte Bild des von Kältenebel umgebenden Vehikels mit dem inflationär eingesetzten titelgebenden Song aus dem Off hat man bald über. Hinzu kommen Plotholes, die groß genug sind, dass Buster seinen Eiswagen hindurchsteuern könnte. Ohne zu viel zu verraten: Was soll die Sache mit Busters Nase? Woher weiß Layne so exakt, wie Buster zu bekämpfen ist? Und wenn man von jemandem nur noch die Klamotten findet, wie kommt man auf die Idee, diesen gleich für tot zu erklären und feierlich die Kleidung zu beerdigen? Nicht, dass diese offenen Fragen den Film wirklich ruinieren, aber man hätte sich einfach ein wenig mehr Sorgfalt bei der Ausarbeitung der Geschichte gewünscht.
Auch beim Hauptplot bleibt ein fader Beigeschmack zurück. Zum einen war es sicher ein übler Streich, den die Kinder Buster gespielt hatten; sein Tod war aber ein fataler Unfall gewesen, den niemand wollte, so dass die ganze Racheaktion übertrieben erscheint und den Rächenden moralisch fragwürdig dastehen lässt. Was direkt zum nächsten Kritikpunkt führt: Die Rolle des bösen, todbringenden Vergelters will nur wenig zum harmlosen und friedliebenden Buster passen. Es ließe sich jetzt vielleicht argumentieren, dass nicht die Tat selbst bestraft wird, sondern ihre Verdrängung – in dieser Sichtweise wäre der wiederkehrende Buster die übernatürliche Manifestation, das machtvolle Aufbrechen der unterbewussten Schuldgefühle der Beteiligten –, aber die Abgrenzungen bei der Verteilung von Gut und Böse bleiben dennoch unbefriedigend schwammig. Dies umso mehr, als dass dem einzigen Moment, in dem so etwas wie eine Auseinandersetzung mit den vergangenen Geschehnissen stattfindet, keinerlei Tiefe verliehen wird: Über die Versuche Laynes, sich zu entschuldigen, macht sich Buster nur höhnisch lustig. Und nicht zuletzt wird auch die Rolle von Layne als heldenhafter Kämpfer um Frau und Kinder ein wenig dadurch geschmälert, dass diese – der Logik der Story folgend – ja keine Sekunde in Gefahr sind. Letztlich will er nur sich selbst retten. Im Resümee kann Tom Holland zwar über die kurze Laufzeit gut unterhalten und speziell William Forsythe rettet die Chose nochmals, im Vergleich zu anderen MoH-Episoden reicht es aber höchstens fürs Mittelfeld.