Foltermühle der gefangenen Frauen

Foltermühle der gefangenen Frauen

Foltermühle der gefangenen Frauen (OT: Les Raisins de la Mort); Regie: Jean Rollin; Frankreich, 1977.


Darsteller:
Marie-Georges Pascal (Élisabeth), Félix Marten (Paul), Serge Marquand (Lucien), Mirella Rancelot, Patrice Valota, Patricia Cartier, Michel Herval, Brigitte Lahaie, Paul Bisciglia, Olivier Rollin, Françoise Pascal, Evelyne Thomas, Jean-Pierre Bouyxou, Jean Rollin …

Inhalt:
Ein neues Insektengift, welches zum Schutz der Weinreben in einem kleinen Dorf in der französischen Provinz eingesetzt wird, verursacht eine Seuche unter der Bevölkerung. Die Opfer werden von entsetzlichen Hautausschlägen gequält und verfallen bis zu ihrem Tod langsam ihren animalischen Urinstinkten. In diese Gegend kommt Claudine (Marie-Georges Pascal), die ihren Freund besuchen will, der auf einem der Weingute arbeitet. Doch allein in dieser abgelegten Gegend hat sie wenig Chancen gegen die Übermacht dieser Kreaturen …

Kritik:
Die Filme von Jean Rollin bilden hierzulande offenbar eine ganz besondere Inspiration zu gewagten Titeln, und so gab man sich auch bei „Les Raisins de la Mort“ natürlich nicht mit der schnöden Übersetzung „Die Weintrauben des Todes“ zufrieden, sondern verstieg sich zu einer „Foltermühle der gefangenen Frauen“, was möglicherweise eine Reminiszenz an den erfolgreichen Gothic-Horror „Mühle der versteinerten Frauen“ von 1960 mit Pierre Brice in der Hauptrolle war. Der Videotitel setzte dann mit „Zombis – geschändete Frauen“ noch einen drauf. Fast schon müßig, es zu erwähnen: Im vorliegenden Film wird weder gefoltert noch geschändet, es gibt keine Mühle und keine Zombies.

Mit seiner Umweltthematik – ein Insektengift bewirkt eine Krankheit, die die Infizierten in aggressive Bestien verwandelt – nimmt der für Rollin eher untypische Schocker klare Anleihen am vier Jahre zuvor entstandenen Italo-Zombie-Reißer „Leichenhaus der lebenden Toten“ von Jorge Grau, allerdings hatte man es dort tatsächlich mit echten Zombies zu tun, während hier die Menschen „nur“ wahnsinnig werden. Zudem findet sich die Umwelt- und Gesellschaftskritik bei Grau sehr viel stärker herausgestellt, während sie bei Rollin augenscheinlich nur Aufhänger und Vehikel ist, um die Geschichte ins Rollen zu bringen.

Es beginnt mit einer Bahnfahrt, in deren Verlauf ein Infizierter Claudines Freundin tötet, während sie sich mittels Ziehen der Notbremse retten kann und sich fortan allein durch eine unbekannte und unwegsame Landschaft schlagen muss – ein Handlungsaufbau, der eine kaum verhüllte Reminiszenz an die „Nacht der reitenden Leichen“ darstellt. Auch an anderer Stelle geizt Rollin nicht mit liebevollen Verweisen auf Genreklassiker und lässt beispielsweise seine Actrice Brigitte Lahaie mit zwei großen Doggen ganz ähnlich in Erscheinung treten wie seinerzeit Barbara Steele in Mario Bavas „Die Stunde, wenn Dracula kommt„.

Das Irren der Protagonistin durch halbverfallene Dörfer, die baulich eher ans 17. Jahrhundert als an die damalige Jetztzeit gemahnen, ist Rollin-typisch recht langgezogen, kann aber einige atmosphärische Momente für sich beanspruchen, die den Film interessant von Produktionen ähnlichen Zuschnitts abheben. Typisch für den stets zu märchenhaften Parabeln neigenden französischen Regisseur ist auch, dass es letztlich nicht die Infizierten sind, die Claudine in den Untergang treiben, sondern sie wird Opfer ihrer fatalen Liebe, ihr schlussendlicher Wahnsinn ist nicht Folge des Insektengifts, sondern ihrer innerlichen Zerrüttung zuzuschreiben.

„Les Raisins de la Mort“ – auf DVD unterdessen auch als „Pestizide – Grapes of Death“ vermarktet – ist ähnlich wie Rollins späterer „La Morte Vivante“ ein Film zwischen allen Stühlen, ein Eurotrasher mit leichtem Kunstfilm-Einschlag, der aufgrund seiner zeitweiligen Längen Splatterfreaks wenig gefallen wird – obgleich einige Szenen, etwa ein Mord mit einer Mistgabel, wenig zimperlich gestaltet sind –, andererseits aber auch die surreale Aura seiner Sexvampirfilme vermissen lässt. Dennoch ist diese apokalyptische Phantasie sehr sehenswert und zeigt einen glänzend aufgelegten Rollin in einer „Anything goes“-Zeit mit einem manchmal fast gothic anmutenden Horror, der es dann immer wieder lustvoll richtig krachen lässt.



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