Die Eiserne Rose

Die Eiserne Rose

Die Eiserne Rose (OT: La Rose de Fer); Regie: Jean Rollin; Frankreich, 1973.

Darsteller:
Francoise Pascal, Hugues Quester, Nathalie Perrey, Mireille Dargent …

Inhalt:
Ein junges Pärchen, das sich vorher auf einer Feier kennengelernt hat, beschließt bei einem sonntäglichen Fahrradausflug spontan, auf einem alten Friedhof zu picknicken. Dabei vergessen die beiden frisch Verliebten die Zeit und werden von der Dunkelheit überrascht. Das Friedhofsgelände entpuppt sich als Irrgarten ohne Ausweg, und der junge Mann wird zunehmend nervöser. Die junge Frau hingegen erliegt voll und ganz dem mystischen Zauber des unheimlichen Ortes, was fatale Folgen für beide hat …

Kritik:
„Die Eiserne Rose“, in Deutschland auch unter dem Titel „Friedhof der toten Seelen“ veröffentlicht, spaltet die Fangemeinde von Jean Rollin: Während es die einen für sein Opus magnum halten, fehlt anderen jedwedes Verständnis für den handlungsarmen und mit 77 Minuten recht kurzen Film. Und tatsächlich passiert sehr wenig: Ein junges Paar verirrt sich und sucht den Friedhofsausgang, so ließe sich das Geschehen, ohne das Ende vorwegzunehmen, erschöpfend zusammenfassen. Einen ausgefeilten Plot sucht man ebenso vergebens wie klassische Zutaten des Horrorfilms.

Morbidität und Zerfall auf der einen Seite, Jugend und Erotik auf der anderen: Dieser Antagonismus zieht sich durch sämtliche Werke des französischen „Sexvampir“-Filmers Jean Rollin, und „La Rose de Fer“ macht da nicht nur keine Ausnahme, sondern stellt dieses Motiv hochkonzentriert in den Vordergrund. Dies fängt nicht erst beim Friedhof an, sondern betrifft auch die anderen Schauplätze: das heruntergekommene französische Dorf, das Eisenbahnbetriebsgelände mit seinen ausrangierten, archaisch wirkenden Dampflokomotiven und – immer wieder gerne gesehen – der Lieblingsstrand des Regisseurs, welcher in fast allen seinen Filmen eine bedeutende Rolle spielt.

Doch im Zentrum steht zweifelsfrei der Friedhof, welcher als heimlicher Hauptdarsteller auch die schauspielerischen Leistungen des jungen Paars in den Hintergrund des Interesses drängt – obgleich die beiden ihre Sache auf eine frische und natürliche Weise sehr gut machen. Mit seinen ungepflegten, halb zerfallenen Gräbern und den zugewucherten Wegen dazwischen wirkt der Friedhof tatsächlich wie ein magischer Ort; es nimmt nicht wunder, dass Rollins Entschluss, „La Rose de Fer“ zu realisieren, hauptsächlich auf die Entdeckung dieser verwunschenen Location zurückzuführen ist.

Bewusst lässt Rollin offen, ob die Ausweglosigkeit des Friedhofs tatsächlich einen übernatürlichen Grund hat oder lediglich auf die zunehmende Nervosität der Protagonisten zurückzuführen ist. Fest steht: Die beiden sich Liebenden sind in einer eigenen Welt gefangen, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Rätselhafte Gestalten wie ein Vampir oder ein Clown (Rollin schreckt vor nichts zurück) tauchen auf und verstärken das Surreale des Orts und des Geschehens, ohne dass sie jedoch in irgendeine Form der Interaktion mit dem Paar treten – sie bleiben auf teilnahmsloser Distanz. Umso mehr gewinnt aber das Magische und Unheimliche des Ortes an Einfluss. Auf sprachlicher Ebene instrumentalisiert Rollin hier Werke des französischen Hipdichters Tristan Corbière, einem Symbolisten und Surrealisten des 19. Jahrhunderts, dessen oft morbide Dichtkunst erst nach seinem frühen Tod durch Paul Verlaine entdeckt und bekannt gemacht wurde.

Hat man sich erst einmal auf das praktisch nicht vorhandene Erzähltempo des Films eingelassen, so steht nichts dagegen, sich von den traumhaft schönen Bildern, die durch einen sehr gelungenen Score musikalisch untermalt werden, einfach einfangen zu lassen. Zudem ist es Rollin (und seinen Akteuren Francoise Pascal und Hugues Quester) sehr gut gelungen, die verschiedenen Gefühlszustände der beiden jungen Liebenden – angefangen bei Übermut und Leidenschaft über Ärger und Aggression bis hin zu Verzweiflung und Wahn – akkurat nachzuzeichnen. Auf so etwas wie Auflösungen oder Erklärungen sollte man aber nicht hoffen: „La Rose de Fer“ ist eine extravagante Fingerübung, die sich aus dem Regelwerk des gängigen Erzählduktus ganz bewusst ausklammert.



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