Gruft der Vampire (OT: The Vampire Lovers); Regie: Roy Ward Baker; Großbritannien / USA, 1970.
Darsteller:
Ingrid Pitt (Marcilla / Carmilla / Mircalla Karnstein), George Cole (Roger Morton), Kate O’Mara (Hauslehrerin Mme. Perrodot), Peter Cushing (General von Spielsdorf), Ferdy Mayne (Arzt), Douglas Wilmer (Baron Joachim von Hartog), Madeline Smith (Emma Morton), Dawn Addams (die Gräfin), Jon Finch (Carl Ebhardt), Pippa Steel (Laura), Kirsten Betts (Vampirin), Janet Key (Dienstmädchen Gretchen / im Abspann als „Gretchin“), Harvey Hall (Renton) …
Inhalt:
General von Spielsdorf gibt für seine Nichte Laura eine Geburtstagsfeier. Als eine der Eingeladenen überstürzt abreisen muss, nimmt er bereitwillig deren Tochter Marcilla auf, die sich schon bald mit Laura anfreundet. Doch in der Folge hat Laura unerklärliche Alpträume und wird immer schwächer, bis sie schließlich an Blutarmut stirbt. Marcilla ist verschwunden, taucht aber wenig später unter dem Namen Carmilla bei Roger Morton und dessen Tochter Emma auf, wo sich das schreckliche Spiel zu wiederholen droht. Roger Morton, General von Spielsdorf und der Baron Joachim von Hartog, welcher das Böse bereits schon einmal bekämpft hatte, nehmen den Kampf auf, dem vampirischen Schrecken ein Ende zu setzen und Emma zu retten.
Kritik:
Anfang der 70er Jahre konnten die Hammer Studios kaum noch ignorieren, dass gepflegter Brit-Grusel der altmodischen Art allein nicht mehr ausreichte, die Kinosäle zu füllen. So wurde mit dem Sequel „Dracula – Nächte des Entsetzens“ beim klassischen Fürsten der Finsternis die Gewaltschraube angezogen, und basierend auf der Erzählung „Carmilla, der weibliche Vampir“ von Joseph Sheridan Le Fanu wagte man sich parallel an eine neue Interpretation des Vampirthemas, die den sexuellen Subtext stärker in den Vordergrund stellte und dabei auch lesbische Beziehungen mehr als nur andeutete.
Als Kofinanzier konnte man AIP gewinnen, welche mit ihrem Poe-Zyklus von Roger Corman durchaus Gothic-Horror-Expertise vorzuweisen hatte. Deren Vorschlag, als weibliche Hauptrolle das Bond-Girl Shirley Eaton („Goldfinger“) zu verpflichten, schmetterte Hammer-Chef James Carreras jedoch ungnädig mit dem Hinweis auf Eatons fortgeschrittenes Alter (34!) ab – um dann selbst eine fast gleichaltrige Darstellerin ins Spiel zu bringen, die damals noch unbekannte Ingrid Pitt. Was eine gute Entscheidung war, trug diese doch mit ihrer geheimnisvoll-erotischen Ausstrahlung und ihrem differenzierten Spiel ganz erheblich zum Gelingen des Films bei.
Die Figur der Mircalla ist durchaus tragisch und vielschichtig angelegt; obgleich sie mit eiskalter Berechnung diejenigen verführt und vernicht, welche ihr im Wege stehen (was nicht wenige sind), ist sie ihren weiblichen Hauptopfern in glaubhafter Weise leidenschaftlich zugetan. Sexuelle Begierde und vampirischer Drang verschmelzen ineinander, was das ein oder andere Mal in Momenten der Zerrissenheit und Verzweiflung kulminiert, da die Liebe hier den Tod als Tribut fordert. Die nächtlichen Vampirattacken werden nur schemenhaft angedeutet, wobei als gestaltwandlerische Komponente die Katze dient – nicht erst seit Jacques Tourneurs „Katzenmenschen“ ein Symbol animalischer weiblicher Sexualität.
Obgleich die Story neue Wege geht, setzte man im Setting auf den altbewährten Cocktail aus vornehmen Herrenhäusern, verlassenen Schlössern, nebligen Wäldern, dahinpreschenden Kutschen, verwunschenen Sümpfen und verräucherten Dorfschenken,was von Grusel-Routinier Roy Ward Baker in stupender Weise umgesetzt wurde: Nie waren die Hammer Studios mehr „gothic“ als hier. Fast noch bemerkenswerter ist es, dass die Nacktszenen und (angedeuteten) lesbischen Liebesszenen sehr stimmig in die Handlung eingebracht wurden, so dass sie an keiner Stelle aufgesetzt oder dem Selbstzweck dienend wirken. Eine Augenweide sind Ingrid Pitt und Madeline Smith allemal.
Peter Cushing kommt kaum mehr als eine Nebenrolle zu, auch wenn er – einmal wieder – in bester Van-Helsing-Tradition den Showdown bestreiten darf. Im Zentrum des Geschehens stehen voll und ganz Mircalla und das ambivalente Verhältnis zu ihren Opfern. Die bestens ausformulierte Geschichte um Liebe und Leidenschaft, Tod und Verderben wurde verdientermaßen zu einem der letzten großen Erfolge der Hammer Studios.