Schwarze Messe auf blutrotem Altar

Schwarze Messe auf blutrotem Altar

Schwarze Messe auf blutrotem Altar (OT: Curse of the Crimson Altar); Regie: Vernon Sewell; Großbritannien, 1968.

Darsteller:
Boris Karloff (Prof. John Marshe), Christopher Lee (Morley), Mark Eden (Robert Manning), Barbara Steele (Lavinia Morley), Michael Gough (Elder), Virginia Wetherell (Eve Morley), Rosemarie Reede (Esther), Derek Tansley (Richter), Michael Warren (Chauffeur), Ron Pember (Tankwart), Denys Peek (Peter Manning) …

Inhalt:
Die Suche nach seinem kürzlich verschollenen Bruder führt Robert Manning in das Landschloss Craxton Lodge bei der Ortschaft Greymarsh, wo man gerade mit Feuerwerk den Jahrestag der Verbrennung der Hexe Lavinia im 17. Jahrhundert feiert. Deren Nachkommen, Mr. Morley und dessen bezaubernde Nichte Eve, nehmen Manning freundlich auf. Im Schloss wird Manning von Alpträumen gepeinigt, in denen er Opfer eines Hexentribunals ist. Mit der Hilfe des Okkultismus-Experten Professor Marshe löst er gleichzeitig Stück für Stück das Rätsel um das Verschwinden seines Bruders – ein Rätsel, in dem ein alter Fluch und ein Geheimgang wichtige Rollen spielen …

Kritik:
1968 war ein gutes Jahr für Hexen- und Teufelskultfilme. Roman Polanski schockte mit „Rosemaries Baby“, für die Hammer Studios brillierte Christopher Lee in „Die Braut des Teufels„, und Tigon Productions landete mit Vincent Price als „Der Hexenjäger“ einen kleinen Geniestreich. Damit an der Kinokasse nichts schiefgeht, verpflichtete Tigon für „Schwarze Messe auf blutrotem Altar“ gleich drei absolute Ikonen des Horrorgenres: Neben dem unvermeidlichen Christopher Lee in der Hauptrolle sind hier auch Barbara Steele und der damals schon 82-jährige Boris Karloff mit von der Partie. Wobei schon die Titelvielfalt des Films ein typisches Indiz für die Kategorie B-Movie ist: In Deutschland ist der Film auch als „Der Fluch der Hexe“ (TV-Titel) und „Die Hexe des Grafen Dracula“ (DVD-Titel) bekannt, in den USA lief er als „The Crimson Cult“.

Regisseur Vernon Sewell hat im Horrorgenre keinen großen Namen, zu seinen größten Verdiensten gehören kleine, fiese Thriller wie „The Man in the Back Seat“ („Der Tod fährt mit“, 1961). Als sehr loses Grundgerüst für die Story diente die Kurzgeschichte „Dreams in the Witch House“ von H. P. Lovecraft, darauf aufgesattelt eine eher überraschungsarme Verschwörungsgeschichte nach dem Strickmuster „Held kommt zu altem Schloss und lüftet furchtbares Geheimnis“ und mit den üblichen Verdächtigen: der smarte Schlossherr, seine hübsche Nichte, das unvermeidliche Faktotum. Was insbesondere dann schon fast parodistisch wirkt, als der Antiquitätenhändler Robert Manning konstatiert, die Räume seien ja ganz schön unheimlich – „Als ob Boris Karloff jeden Moment auftauchen würde.“

Über den Schwachpunkt, dass der Plot wenig Atemberaubendes bietet, sieht man gerne hinweg anhand der fast schon psychedelisch anmutenden, lasziven und freizügigen Inszenierungen der Teufelsszenen: Mehr noch als die komplett gritzegrün angemalte Hexe Barbara Steele mit einer Krone aus Satanshörnern, die wie eine Hohepriesterin der Nacht wirkt, hinterlässt ein Folterknecht mit Geweih Eindruck, dessen knappes Leder-Outfit – ebenso wie seine nur symbolisch bekleidete Gehilfin – Assoziationen an SM-Praktiken weckt. Durch andere Szenen weht dann ganz unverhohlen der Geist der Sixties, so freut man sich an einer lang ausgedehnten Schlossparty mit halbnackten Dorfschönheiten, auf der auch so mancher Joint kreist. Gipfel der frivolen Spielchen: Zwei nur leicht bekleidete Frauen treten auf den Schultern ihrer männlichen Begleiter bewaffnet mit Pinsel und Palette gegeneinander an und bemalen sich gegenseitig mit Farbe. Und schon bei seiner Ankunft muss sich der Held über eine Blondine wundern, die von einem Ford Taunus quer durch den Park gejagt wird – was sich als harmloses Hasch-mich-Spiel entpuppt. Allerdings wirken solcherlei Ausflüge ins Flower-Power-Reich – obgleich eine Schrifttafel im Vorspann vor Drogen und den damit verbundenen Halluzinationen warnt – seltsam abgekoppelt vom Rest des Films: Ein Zusammenhang zum Hexenkult wird zwar anfangs nahegelegt, bestätigt sich aber in keiner Weise. Zudem will das wüste Treiben nur wenig zur Gastgeberin Eve passen, die zwar als selbstbewusst, aber auch als recht konventionell und brav dargestellt wird und ihren Verehrer Robert züchtig lange zappeln lässt. Doch das Sixties-Flair, das sich immer wieder durch die Inszenierung zieht, macht einen großen Reiz des Films auf – bis in so kleine Details, dass Held und Heldin auch automobil sehr kultig ausgestattet sind: Er fährt einen MG B Roadster, sie einen Mini Cooper.

Wer sich auf entfesselte Höllenkräfte freut, wird leider enttäuscht – schon früh ahnt man, dass der Plot eher in Richtung „Familienfluch und Rache“ driftet und hier nur irdische Fehlgeleitete schalten und walten. So ist es eher die prominente Besetzung, die den Film rettet: Christopher Lee spielt den öligen Schlossherrn mit dunklen Geheimnissen souverän wie stets, und der alternde Boris Karloff als Hexen- und Cognac-Connaisseur im Rollstuhl trumpfte hier ein letztes Mal mit markigen Sprüchen und geheimnisvoller Aura auf, bevor er in der Bedeutungslosigkeit mexikanischer Z-Movies verschwand. Auch die Rolle des verrückten und getriebenen Butlers Elder ist mit dem verdienten Veteran Michael Gough, der bereits in der ersten Hammer-Dracula-Verfilmung von 1958 dabei war, glänzend besetzt.

Fazit: Obgleich einen die Story nicht umhaut und bis zum finalen Abbrennen des Schlosses eher linear Klischee für Klischee abhakt, sorgen kultige Sixties-Einsprengsel, liebevoll ausgestattete Sets und die Absicherung der Nebenrollen durch verdiente Genregrößen für ein kurzweiliges, nostalgisches Vergnügen, für einen bizarren Augenschmaus. Trotz der offensichtlichen Orientierung am Vorbild der Hammer-Filme gelang Tigon ein Genrebeitrag mit ganz eigener Note. Fans des britischen Gruselkinos können getrost zugreifen – zumal die DVD unter dem Titel „Die Hexe des Grafen Dracula“ von e-m-s in ihrer Reihe „Der phantastische Film“ in einer besonders schön aufgemachten Schuber-Ausgabe präsentiert wird.


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