Tenebrae – Der kalte Hauch des Todes

Tenebrae - Der kalte Hauch des Todes

Tenebrae – Der kalte Hauch des Todes (OT: Tenebre); Regie: Dario Argento; Italien, 1982.


Darsteller:
Anthony Franciosa (Peter Neal), Christian Borromeo (Gianni), Mirella D’Angelo (Tilde), Veronica Lario (Jane McKerrow), Ania Pieroni (Elsa Manni), Eva Robins (Frau an Strand), Carola Stagnaro (Detective Altieri), John Steiner (Christiano Berti), Lara Wendel (Maria Alboretto), John Saxon (Bullmer), Daria Nicolodi (Anne), Giuliano Gemma (Detective Germani), Isabella Amadeo (Bullmers Sekretärin), Mirella Banti (Marion) …

Inhalt:
Als der amerikanische Erfolgsschriftsteller Peter Neal (Anthony Franciosa) nach Rom reist, um dort seinen neuesten Kriminalroman „TENEBRE“ vorzustellen, geschehen in seiner unmittelbaren Umgebung eine Reihe blutiger Morde, die nach dem Vorbild seines Romans ausgeführt werden. Schon bald erhält Neal anonyme Briefe, in denen der offensichtlich wahnsinnige Killer nun auch ihm, dem korrupten Anstifter einer verkommenen Welt, mit dem Tode droht. Neal nimmt die blutige Spur des Mörders auf und gerät dabei zunehmend in ein verwirrendes Labyrinth aus Verdächtigungen, Androhungen, Erinnerungen, Betrug und Intrigen, dessen Pfade alle zu jemandem zu führen scheinen, der in seiner Kindheit eine schreckliche Traumatisierung erfahren hat. Gegen Ende schließlich bricht der Wahnsinn in einem Blutbad nie gekannten Ausmaßes endgültig hervor …

Kritik:
„Das Leben ist eine Illusion, eine Falle, und das Kino muss die Verbildlichung dessen sein“, sagt Dario Argento. Mit den Klassikern „Suspiria“ (1976) und „Inferno“ (1980) schuf er eine bis heute nicht abgeschlossene, großartige Trilogie zu den „drei Müttern der Schmerzen“. Und da diese, der Vorlage von Thomas de Quincey folgend, Mater Lachrymarum, die Mutter der Tränen, Mater Suspiriorum, die Mutter der Seufzer und Mater Tenebrarum, die Mutter der Finsternis hießen, erwartete das Publikum bei einem Film mit dem Titel „Tenebre“ (= Finsternis) natürlich nichts anderes als den heißersehnten dritten Teil. Stattdessen kehrte Argento hier zu seinen Giallo-Wurzeln zurück und präsentierte wie schon mit „Profondo Rosso“ einen durch und durch gestylten Kriminalreißer mit Grand-Guignol-Mordeinlagen und einem überaus weltlichen Killer.

Dennoch haftet „Tenebre“ in vielen Momenten etwas sehr Surreales an, am offensichtlichsten noch in den Traumrückblenden des Killers, die eine verstörende junge Frau zeigen, gleichzeitig zart und herb wirkend (Argento besetzte die Rolle mit einem Transsexuellen), einmal in einer fast schon rollinesken Strandszene, dann immer wieder als Opfer von Messerstichen und als Trägerin der roten Pumps, die im Film als wahrhaft roter Faden symbolhaft für sexuelle Obsession und Verlockung, aber auch Beherrschung und sexuelle Macht stehen. Die schwelgerischen Art-Déco-Welten von „Suspiria“ und „Inferno“ sind hier einer kühlen, hellen Klarheit gewichen, in der die Farbe Weiß übermächtig dominiert und – wenn dann das rote Blut an weiße Wände spritzt – die Einbrüche von Gewalt noch drastischer und überzeichneter wirken lässt, als sie es ohnehin schon sind.

Die Story ist komplex und spannend und führt den Zuschauer das eine oder andere Mal ebenso wie seine Protagonisten auf Irrwege, bis schließlich eine überraschende Lösung präsentiert wird, die wie schon in „Profondo Rosso“ in ihrer Herleitung weit in vergangene Zeiten zurückschweift. Doch das Whodunnit-Spiel weiß zwar zu gefallen, steht aber im Hintergrund gegenüber den wieder einmal prächtigen und in jeder Beziehung maßlosen Mises en Scène, die Argento abliefert. Legendär ist die lange Kamerafahrt an einer Hauswand von einem Fenster zum anderen, die den Zuschauer in eine Voyeursrolle bei einem Mord zwingt, und irrwitzig die Szene, in der die junge Hausmeisterstochter Maria (Lara Wendel) zunächst von einem bissigen Hund und anschließend vom Mörder gejagt wird. Von diesem sieht man ganz Giallo-mäßig stets nur Details wie die unvermeidlichen schwarzen Handschuhe und natürlich sein Werkzeug, ein scharfes Rasiermesser und später eine Axt.

Hell gekleidete Menschen in hell ausgeleuchteten, luxuriösen Räumlichkeiten – „Tenebre“ scheint in seiner gleißenden Optik fast in einer Parallelwelt zu spielen, ein Effekt, der vom Regisseur durchaus intentioniert war und technisch mit besonders empfindlichem Filmmaterial forciert wurde. Ein Höhepunkt ist etwa das von Peter Neals Agent Bullmer (John Saxon mit Hut als kleine Film-noir-Reminiszenz) beobachtete Treiben auf einem italienischen Platz, eine grellweiß überzeichnete Komposition aus moderner Architektur und menschlichen Momentaufnahmen. Mit fortschreitender Visualisierung des lebensbejahenden Platzes im Gegenspiel mit Ballmers sonniger Laune wird dem Zuschauer klar, dass diese Idylle bald durchbrochen wird – was dann auch in blutiger Weise geschieht. Vollends zum artifiziellen Meisterwerk wird das Ganze im Zusammenspiel mit dem treibenden Soundtrack, einmal mehr beigesteuert von Goblin, Argentos Haus- und Hofband. Ein mit einem Bodycount von 10 ziemlich blutrünstiger Giallo … und für alle Genrefans natürlich ein Must-see, über jeden Zweifel erhaben.


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