Geschichten aus der Gruft (OT: Tales from the Crypt); Regie: Freddie Francis; Großbritannien / USA, 1972.
Darsteller:
Joan Collins (Joanne Clayton), Peter Cushing (Arthur Edward Grimsdyke), Roy Dotrice (Charles Gregory), Richard Greene (Ralph Jason), Ian Hendry (Carl Maitland), Patrick Magee (George Carter), Barbara Murray (Enid Jason), Nigel Patrick (Major William Rogers), Robin Phillips (James Elliot), Ralph Richardson (The Crypt Keeper) …
Inhalt:
In einer Gruft konfrontiert eine geheimnisvolle Mönchsgestalt fünf verirrte Besucher mit ihren Taten. 1. »Heilige Nacht, blutige Nacht«: An Heiligabend hat Joanne ihren Ehemann Richard erschlagen, und um das Haus streift ein gefährlicher Psychopath im Kostüm eines Weihnachtsmanns. 2. »Spiegelbild des Todes«: Carl Maitland verlässt Frau und Kinder, um mit Susan, seiner Geliebten, durchzubrennen. Doch nach einem Verkehrsunfall scheint Susan spurlos verschwunden zu sein. 3. »Poetische Gerechtigkeit«: Der skrupellose Hausbesitzer Elliot schikaniert und verleumdet seinen Nachbarn, den gutmütigen Witwer Grimsdyke, weil dessen schäbiges Häuschen nicht in die feine Wohngegend passt. Das rächt sich – spät, aber gründlich. 4. »Drei Wünsche«: Das Ehepaar Jason gelangt in den Besitz einer Statue, die drei Wünsche erfüllt – jedoch mit fatalen Nebenwirkungen. 5. »Scharfer Durchgang«: Als neuer Leiter eines Blindenheims führt Major Rogers ein unbarmherziges Regiment und lässt die Insassen hungern und frieren. Nachdem das den Tod eines der Männer verursacht, beschließen die Blinden sich zu rächen.
Kritik:
Nach den eher klassischen Horrorgeschichten der vorangegangenen Episodenfilme entschieden sich die Verantwortlichen bei Amicus für eine andere Marschrichtung: Eine Verfilmung der in den 50er Jahren in den USA überaus beliebten EC Comics sollte besonders dort neues Publikum erschließen. Die Regie übernahm Horror-Routinier Freddie Francis, und es wurde eine durchaus hochkarätige Schauspielerriege verpflichtet. So wurde etwa der die Episoden narrativ verbindende Cryptkeeper von Sir Ralph Richardson gespielt, einem damals sehr bekannten, mehrfach oscarnominiertem Charakterdarsteller.
Die erste Episode »Heilige Nacht, blutige Nacht« wird praktisch im Alleingang von Joan Collins bestritten, die auch vor ihrem Durchbruch als „Denver“-Biest schon eine vielgefragte Schauspielerin war. Obgleich die Geschichte um einen psychopathischen Killer, der am Heiligabend ums Haus streift, wenig Überraschungen bietet, freut man sich doch an der guten Inszenierung und dem grellen Eigenheim-Interieur, das Neureichen-Kitsch mit ausgewählten Geschmacklosigkeiten der 70er Jahre zusammenbringt. Das pausenlos Weihnachtsmelodien dudelnde Radio tut ein Übriges, eine bizarre Atmosphäre zu erzeugen.
Bei »Spiegelbild des Todes« handelt es sich um ein eher kurzes Intermezzo. Carl Maitland findet sich nach einem Autounfall in einer alptraumhaften Situation wieder. Gut gelungen ist die ausweglose Verschachtelung von Traumgeschehen und Wirklichkeit. Beim Namen „Maitland“ handelt es sich übrigens um einen leider nie näher aufgeklärten Running Gag des Produzenten Milton Subotsky: In gleich mehreren Amicus-Filmen taucht ein Herr dieses Namens auf – und stets kommt er früh zu Tode.
In »Poetische Gerechtigkeit« brilliert Peter Cushing als gutmütiger Witwer Grimsdyke, dessen Existenz böse Nachbarn aus Missgunst und Habgier vernichten. Viel Zeit wird hier der Entwicklung des Charakters gegeben, und Cushings anrührendes Spiel, das zu Recht mit einem französischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, macht diese Geschichte zum glanzvollen Höhepunkt des Storyquintetts. Ursprünglich war für ihn die Rolle des Ralph Jason aus der nächsten Episode vorgesehen, doch die Figur des einsamen, traurigen Mannes sprach Cushing, der kurz davor selbst seine Frau verloren hatte, mehr an. Für ihn war es eine Form der Trauerarbeit, die so weit ging, dass er in seinen Gesprächen mit der Fotografie der Frau diese sogar mal irrtümlich mit „Helen“ anredete, obgleich die Filmfigur „Mary“ hieß. Etwas irritierend ist das drakonische Ende mit Grimsdyke als grausam rächendem Wiedergänger, das so gar nicht zu dessen friedliebendem Charakter passen will. Doch gerade darin spiegelt sich voll und ganz das moralische Prinzip der EC Comics wider, nach dem es eher höhere Mächte sind, die die Strafe nach der bösen Tat vollstrecken – der (übrigens eindrucksvoll in Szene gesetzte) Wiedergänger ist nur Werkzeug.
Die »Drei Wünsche« gehen dann wieder in die Richtung makabrer, schwarzer Humor. Obgleich Ralph Jason und seine Frau die Geschichte der Affenpfote kennen, lassen sie sich von einer geheimnisvollen chinesischen Statue (deren erklärende Inschrift auf dem Sockel zur Sicherheit auf Englisch verfasst ist) drei Wünsche erfüllen. Dass das fürchterlich schiefgeht, weiß man natürlich schon vorher, doch die Ausarbeitung des katastrophalen Wunschreigens weiß durchaus zu gefallen, kulminierend in – eher harmlos umgesetztem – Splatter und Gore, wobei auch die berühmte kriechende Hand, die man schon aus „Die Todeskarten des Dr. Schreck“ und „Embryo des Bösen“ kennt, wieder ein kurzes Gastspiel hat. Sehr effektvoll inszeniert ist auch der Tod, der Ralph Jason als Motorrad fahrendes Skelett verfolgt: trashig, aber sehr memorabel.
In der fünften Geschichte, »Scharfer Durchgang« bzw. »Blind Alley«, steht ganz die tüftelige Ausarbeitung eines Racheplans im Vordergrund. In seiner genialen Grausamkeit bildet er das passende Gegengewicht zu der blasierten Gefühlskälte des Majors William Rogers, der seine Stellung als neuer Leiter eines Blindenheims auf Kosten der Insassen weidlich zum eigenen Vorteil ausnutzt. Die Story ist wieder EC Comics pur, indem von Anfang an klar ist, dass das Böse bestraft wird, und sich das Augenmerk ganz auf das Wie der Bestrafung richtet. In der Umsetzung überzeugt besonders Patrick Magee als Wortführer der Blinden – man kennt den Schauspieler auch aus „Uhrwerk Orange“, wo er den Schriftsteller Mr. Alexander spielte.
Dass die Katakomben, in denen die fünf Akteure aus den Geschichten auf den Cryptkeeper treffen, ihre Endstation bedeuten, ist dem Zuschauer schnell klar: Schließlich trägt Joanne Clayton hier bereits die Brosche, die sie in der ersten Episode an jenem unheilvollen Heiligabend geschenkt bekommt. Die Anwesenheit des Ralph Jason nimmt einen mehr wunder, wenn man an sein Schicksal aus der „Drei Wünsche“-Episode zurückdenkt (zumal er ja auch keine besondere Schuld auf sich geladen hatte). Jedoch sind die Gruftszenen wundervoll atmosphärisch, und das gilt auch für den gesamten Film, der nicht nur das Highlight unter den Episodenfilmen von Amicus darstellt, sondern insgesamt auch einen glanzvollen Vertreter des britischen Horrorkinos darstellt. Nicht zuletzt ebnete „Geschichten aus der Gruft“ mit seinem durchaus beachtlichen Erfolg den Weg zu der gleichnamigen TV-Serie in den 80er Jahren.