Edward mit den Scherenhänden (OT: Edward Scissorhands); Regie: Tim Burton; USA, 1990.
Darsteller:
Johnny Depp (Edward Scissorhands), Winona Ryder (Kim), Dianne Wiest (Peg), Anthony Michael Hall (Jim), Kathy Baker (Joyce), Robert Oliveri (Kevin), Conchata Ferrell (Helen), Caroline Aaron (Marge), Dick Anthony Williams (Officer Allen), O-Lan Jones (Esmeralda), Vincent Price (der Erfinder), Alan Arkin (Bill), Susan Blommaert (Tinka), Linda Perri (Cissy) …
Inhalt:
Die Avon-Beraterin Peg, in einer klischeehaft idyllischen Vorortsiedlung beheimatet, will sich neue Kundenkreise erschließen und macht eine Expedition zu einem nahegelegenen Schloss. Hier trifft sie auf den Kunstmenschen Edward (Johnny Depp). Ein alter Erfinder (Vincent Price) hatte ihn geschaffen, war aber verstorben, bevor er sein Werk vollenden konnte. So hat der naive und überaus gutmütige Edward als Provisorium Scheren statt Hände. Peg nimmt Edward mit zu ihrer Familie, und schon bald avanciert der exotische Fremdling zum Star der Reihenhaussiedlung. Besonders Pegs Tochter Kim (Winona Ryder) entdeckt ihr Herz für den empfindsamen Edward, der aus Hecken kunstvolle Skulpturen schneidet und den Damen der Siedlung so nebenbei perfekte Frisuren kreiert. Doch Kims eifersüchtiger Freund instrumentalisiert den gutgläubigen und arglosen Edward für einen Einbruch, und der Wind dreht sich …
Kritik:
Die Figur des Edward, der Scheren statt Hände hat, hatte Tim Burton schon in seiner Jugend gezeichnet, als Sinnbild für sich selbst in der Rolle des unverstandenen Outsiders, und so nimmt es nicht wunder, dass „Edward mit den Scherenhänden“ von 1990 der persönlichste und vielleicht auch der schönste Film des exzentrischen Regisseurs geworden ist. Gleichzeitig markierte der Film den Beginn seiner langjährigen und fruchtbaren Zusammenarbeit mit Johnny Depp, der auch in „Ed Wood“ (1994), „Sleepy Hollow“ (1999) und „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (2005) als Hauptdarsteller brillierte. Doch der Maschinenmensch Edward ist möglicherweise Depps beste Leistung: allzu menschliche Mimik konnte ein „Roboter“ nicht haben, so werden alle Gefühle vor allem durch die Augen kommuniziert – ein reduziertes und gleichwohl beredtes Spiel, das gewollt an den Expressionismus der Stummfilmära gemahnt (tatsächlich spricht Johnny Depp nur 169 Wörter im ganzen Film). Und auch Outfit und Maske sind genial: bleich geschminkt, mit wild zerstruppeltem Haar und extravagantem Leder-Kostüm, wirkt Edward tatsächlich wie von einem anderen Stern.
Die Story ist märchenhaft und wird entsprechend auch durch eine alte Großmutter im Lehnstuhl eingeleitet, hierzu passt auch die grelle Überzeichnung der Sets: Die Ordnung der pastellfarbenen, bonbonbunten Häuser steht in hartem Kontrast zum Chaos des düsteren Schlosses. Prinzipiell ist „Edward mit den Scherenhänden“ eine Neuinterpretation des Frankenstein-Mythos, mit dem unvergessenen Vincent Price in seiner letzten Rolle als diesmal gar nicht finster-besessener, sondern überaus gutmütiger Schöpfer. Hinzu kommen Elemente aus Volksmärchen, etwa Dornröschen (die Erweckung aus dem Schlaf) oder auch Pinocchio. Hinter diesen Märchenelementen steckt aber noch die zeitlose Parabel des Scheiterns der Sozialisierung eines Außenseiters – respektive die Schicksalsanamnese des Außenseiters an sich. In einer biederen, auf Konventionen festgelegten Welt kann jemand wie Edward nur kurzfristig als heller Stern aufstrahlen, sobald der Reiz des Exotischen verglüht ist, ist der Fall umso tiefer.
„Edward mit den Scherenhänden“ ist ein magischer, ein zutiefst berührender Film, gleichzeitig eine bewegende Liebesgeschichte, mit kraftvollen Szenen wie etwa der, als Edward Skulpturen aus einem Eisblock formt und Kim im entstehenden Schneeregen tanzt. Seine Kraft nimmt der Film zu einem großen Teil auch aus dem betörenden Score von Danny Elfman, der hier die vielleicht anspruchsvollste und schönste Filmmusik seiner Karriere komponiert hat. Ein modernes Märchen, dessen Verschrobenheit und Komik in ein melancholisches Ende mündet, das lange nachwirkt.