Der Dämon mit den blutigen Händen

Der Dämon mit den blutigen Händen

Der Dämon mit den blutigen Händen (OT: Blood of the Vampire); Regie: Henry Cass; Großbritannien, 1958.


Darsteller:
Donald Wolfit (Callistratus), Vincent Ball (Dr. John Pierre), Barbara Shelley (Madeleine Duval), Victor Maddern (Carl), William Devlin (Kurt Urach), Andrew Faulds (Chief Guard Wetzler), Bryan Coleman (Herr Auron), George Murcell (First Guard), Julian Strange (Second Guard), John Le Mesurier (Chief Justice), Colin Tapley (Commissioner of Prisons), John Stuart (Uncle Phillippe), Henri Vidon (Prof. Bernhardt Meinster), Cameron Hall (The Drunken Doctor), Bernard Bresslaw (Tall Sneakthief) …

Inhalt:
Der junge Arzt Dr. John Pierre wird zu Unrecht verurteilt und landet in einem Gefängnis für geisteskranke Straftäter, eine abseits in den Karpaten gelegene, von Bluthunden bewachte Festung. Hier wird er der persönliche Assistent des Gefängnisleiters Dr. Callistratus und erforscht mit ihm gemeinsam neue Verfahren der Bluttransfusion. Doch bald kommt John hinter das finstere Geheimnis des dubiosen Doktors: Dieser wurde bereits einmal hingerichtet und von seinem treuen Assistenten Carl mit Hilfe eines betrunkenen Arztes ins Leben zurückgerufen. Seitdem muss sein Blut regelmäßig erneuert werden – was das Verschwinden mancher Häftlinge erklärt. Als sich dann noch Johns Verlobte Madeleine unerkannt als Haushälterin bei Callistratus einstellen lässt, wird die Situation richtig brenzlig …

Kritik:
„Blood of the Vampire“ könnte man auch als den schönsten Hammer-Film bezeichnen, den die Hammer Studios nie gemacht haben, denn tatsächlich stammt dieses kleine Juwel aus der Schaffe der kleinen Filmgesellschaft Eros Films. Die häufige falsche Zuordnung kommt allerdings nicht von ungefähr, so heuerte man den Hammer-Hausautoren Jimmy Sangster als Skriptschreiber an, und die weibliche Hauptrolle bekleidete Barbara Shelley, welche später in den 60er Jahren in Hammer-Filmen wie „Die brennenden Augen von Schloss Bartimore“ oder „Blut für Dracula“ die Scream Queen gab. Alles in allem gelang Regisseur Henry Cass hier etwas, das man als gelungene Symbiose aus der Ausstattungsopulenz und romantisch-gruseligen Stimmung der Hammer-Filme und der expressionistischen Kraft der alten Universal-Klassiker bezeichnen kann.

Der Theaterschauspieler Donald Wolfit verkörpert den sinistren Callistratus perfekt mit einer Ausstrahlung, die auch aufgrund einer gewissen äußeren Ähnlichkeit mehr als einmal an Bela Lugosi denken lässt, wobei speziell das charakteristische, fast schon comicstriphafte Make-up mit überbetont zugespitzten Augenbrauen der Figur eine sehr wirkungsvolle dämonische Aura verleiht und gleichzeitig eine Hommage an die expressionistische Überbetonung schauspielerischer Darstellung aus Stummfilmzeiten darstellt. Callistratus ist im Kanon der Horrorbösewichter eine interessante Mischung: Er wurde, wie der schaurige Prolog drastisch zeigt, bereits in der Vorgeschichte wie ein Vampir mit Pflock durchs Herz hingerichtet, und wie ein Vampir braucht er seit seiner Wiederbelebung auch regelmäßig frisches Blut zum Überleben. Bei näherem Hinsehen steht er jedoch dem Mad Scientist, dem verrückten Wissenschaftler, näher, mit dem Unterschied, dass er keine Welteroberungspläne in der Schublade hat, sondern seine blasphemischen Versuche und letztlich seine ganze Gefängnisfestung nur der Eigenerhaltung dienen. Dem entspricht auch, dass ihm mit Carl das traditionelle körperlich deformierte Faktotum zur Seite gestellt wird – mit gruselig abstoßender Maske und starrem Auge von Victor Maddern glänzend böse gespielt. Die Idee einer geschlossenen Anstalt als Tarnung und als Gelegenheit, für verbotene Experimente leicht an „Menschenmaterial“ heranzukommen, sollte Jimmy Sangster übrigens in „Frankensteins Rache“ wieder aufgreifen.

Die Story entwickelt sich schwungvoll mit liebevollem Lokalkolorit, inklusive der immer wieder gerne gesehenen deftigen Wirtshausszenen mit Wein, Weib und Gesang. Wir erleben Johns Verurteilung – die, wie man später erfährt, auch schon vorausschauend von Callistratus eingefädelt wurde –, seine Einlieferung in die unheimliche Anstalt, einen Fluchtversuch mit seinem Zellengenossen. Lediglich in Detailfragen gibt sich das Skript etwas generös und hilft sich selbst häufiger mit Deus-ex-Machina-Methoden aus der Patsche. Die Tatsache etwa, dass John in seiner neuen Zelle einfach so, mir nichts, dir nichts, die Gitterstäbe aushebeln kann, um Simsklettereien zu seiner Geliebten zu unternehmen, erscheint genauso unglaubwürdig wie dass ebendann die Bluthunde, die sonst bei jeder Kleinigkeit in wüste Kläfferei ausbrechen, mucksmäuschenstill bleiben. Offenbar gehört der Sims nicht in ihre Zuständigkeit.

Wer einmal einen typischen Gothic Horror jenseits von Dracula und Frankenstein sehen will, kommt um „Der Dämon mit den blutigen Händen“ kaum herum. Auch wenn die Settings insgesamt etwas reduzierter angelegt sind als bei der Konkurrenz Hammer, kann man mit der Gefängnisburg inklusive Laborkeller doch eine tolle Location aufweisen, und immer wieder wird man überrascht durch kleine Gimmicks wie etwa eine im Hintergrund vorbeihuschende Ratte, als sich John in seiner Zelle mit seinem Zellengenossen unterhält. Sämtliche Beteiligten vermitteln schließlich ein hohes Maß an Spielfreude, und Callistratus ist ein Horror-Archetypus wie aus dem Lehrbuch – es erstaunt fast, dass die Figur in keiner Weise fortgesetzt wurde.


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