Creepshow – Die unheimlich verrückte Geisterstunde

Creepshow - Die unheimlich verrückte Geisterstunde

Creepshow – Die unheimlich verrückte Geisterstunde (OT: Creepshow); Regie: George A. Romero; USA, 1982.

Darsteller:
Prolog / Epilog: Joe King (Billy). „Vatertag“: Carrie Nye (Sylvia Grantham), Viveca Lindfors (Tante Bedelia), Ed Harris (Hank Blaine), Warner Shook (Richard Grantham), Elizabeth Regan (Cass Blaine). „Mondgestein“: Stephen King (Jordy Verrill), Bingo O’Malley ( Jordys Vater / Professor / Arzt). „Video-Spiele“: Leslie Nielsen (Richard Vickers), Ted Danson (Harry Wentworth), Gaylen Ross (Becky Vickers). „Expedition ins Tierreich“: Hal Holbrook (Henry Northrup), Adrienne Barbeau (Wilma Northrup), Fritz Weaver (Dexter Stanley), Robert Harper (Charlie Gereson). „Insektenspray“: E. G. Marshall (Upson Pratt) …

Inhalt:
1. Vatertag (Father’s Day)
Auf der Familie Grantham lastet ein dunkles Geheimnis: Vor Jahren erschlug Bedelia ihren Vater mit einem Aschenbecher, nachdem dieser ihren Geliebten umgebracht hatte. Zwanghaft kehrt Bedelia nun Jahr für Jahr an das Grab ihres Vaters zurück. Doch im siebten Jahr entsteigt dieser seinem Sarg und will seinen Vatertagskuchen …

2. Mondgestein (The Lonesome Death of Jordy Verrill)
Auf der Farm des grenzenlos naiven Jordy Verrill schlägt ein Meteor ein. Dieser freut sich zunächst, weil er glaubt, er könne diesen teuer an ein wissenschaftliches Institut verkaufen. Doch dann muss er feststellen, dass alles, was mit dem Meteor in Berührung kommt, von einem grünen, fremdartigen Moos überzogen wird.

3. Video-Spiele (Something to Tide You Over)
Der gehörnte Richard Vickers rächt sich grausam an seiner Frau Becky und deren Liebhaber Harry: Er gräbt beide am Strand bis zum Hals in den Sand ein – das Übrige erledigt die Flut.

4. Expedition ins Tierreich (The Crate)
In einem Museumsinstitut entdeckt Dexter Stanley unter einer Treppe eine rätselhafte, vergessene Kiste. Gemeinsam mit dem Hausmeister hebelt er sie auf und muss feststellen, dass sie ein Monster beherbergt, welches direkt den Hausmeister verschlingt. Panisch wendet sich Stanley an seinen Freund Henry Northrup. Doch dieser sieht in dem Monster vor allem eine willkommene Chance, seine nervende Frau Wilma loszuwerden …

5. Insektenspray (They’re Creeping Up on You)
Der schwerreiche Eigenbrötler Upson Pratt lebt zurückgezogen in einem klinisch reinen Appartement, von wo aus er per Telefon seine Untergebenen tyrannisiert. Einzig vor Insekten und Schaben hat er eine phobische Angst. Prompt muss er sich nach einem Stromausfall plötzlich Abertausenden von Küchenschaben erwehren – eine Schlacht, die er nur verlieren kann …

Kritik:
Der Episodenfilm „Creepshow“ ist das legendäre, von Fans heute noch kultisch verehrte Ergebnis der einzigen direkten Zusammenarbeit zwischen Zombie-König George A. Romero und Horror-Papst Stephen King und geht zurück auf eine gemeinsame Liebe: Beide hatten in ihrer Kindheit und Jugend billige Horrorcomics verschlungen und waren insbesondere Fans der im Amerika der 50er Jahre überaus beliebten EC Comics. Entsprechend sollte „Creepshow“ mit Geschichten aus der Feder von Stephen King und einem respektablen Staraufgebot nicht nur eine Hommage auf diese trashigen Heftchen werden, sondern auch stilistisch die grelle und plakative Bildsprache des Mediums Comic in die Filmwelt transportieren. Dies hieß auf der einen Seite Kompromisslosigkeit in der grafischen Gewaltdarstellung, die auf der anderen Seite durch mehr als einen Schuss schwarzen, gerne auch derben Humors abgemildert werden sollte.

Eine deutliche Reminiszenz an die Comicstrips war schon die Rahmenhandlung, in der ein von einem erbosten Vater weggeworfenes Comicheft quasi lebendig wird: Das zuletzt gezeigte gezeichnete Bild geht nahtlos über in die erste Szene der nächsten Episode, umgekehrt ließ man die Schlussbilder der Episoden wieder zu Zeichnungen werden. Neben kleineren Gimmicks wie plötzlich auftauchenden Rahmen um die Filmbilder oder eingeblendeten Textkästchen wie „Später …“ hoben Romero und King besonders die – zumeist recht explizit gewalttätige – Klimax der jeweiligen Episode hervor, indem sie den Hintergrund durch eine grelle Farbleinwand ersetzten und die Schlusspointe so in die zweidimensionale Comicwelt zurückführten. Sicher keine gerade subtile Methode zu sagen, hey, wir sind hier in einem Comic, aber der wohldosierte, nicht übertriebene Einsatz der grafischen Verfremdungen verfehlt seine Wirkung nicht und gibt dem Film ein Stück Einzigartigkeit.

„Educational Comics“ hießen die EC Comics anfangs, was auf ihre geradlinige Moral hinweist – Stephen King nannte sie auch mal „den letzten Seufzer der Romantik in Amerika“. Ähnlich wie bei den „Geschichten aus der Gruft“ ist das Ende stets von ausgleichender Gerechtigkeit geprägt, die Bösen entkommen nie ihrem Schicksal. Bewusst sind die Charaktere entsprechend holzschnittartig und nuancenarm angelegt: Außer dem Primärmerkmal „gut“ oder „böse“ ist an ihnen wenig Bemerkenswertes, wie Marionetten bewegen sie sich durch ein Spiel fataler Vorherbestimmtheit. Die erste Geschichte, „Vatertag“, ist ein Paradebeispiel für diese hoch moralische Welt: Natürlich ist sofort klar, dass der nächtliche Besuch der Tante Bedelia, die ihren Vater mit einem schweren Aschenbecher erschlug, auf einem gruseligen Friedhof am Grab ihres Opfers zu nichts Gutem führen kann. Umso mehr Freude hat man an der detailverliebten Inszenierung: die an „Carrie“ gemahnende halbverfaulte Leichenhand, die aus der Graberde schießt, oder auch die süffisante Ironie darin, dass der mörderische Zombievater ja wirklich nur eines will: seinen Vatertagskuchen.

Keine Regel ohne Ausnahme: Jordy Verrill, der harmlose Narr aus „Mondgestein“, ist nun wirklich nicht böse und sein Schicksal ist unverdient. Die deutlich von H. P. Lovecrafts „Die Farbe aus dem All“ beeinflusste Geschichte stellt eher eine Groteske dar, in der der rätselhafte Meteorit eben nicht in direkter Form Tod, Verderben und verdorrte Erde mit sich bringt, sondern das genaue Gegenteil davon: grenzenlose Fruchtbarkeit, ein explosionsartiges Wachstum einer grünen Moosflechte, von der auch Jordy – genial over the top gespielt von einem wild grimassierenden und augenrollenden Stephen King – nicht verschont bleibt. Die sich rasant ausbreitende Pflanze, die das ganze Verrill-Anwesen zuwuchert, ist hier eher äußere Manifestation des inneren Horrors der Einsamkeit von Jordy Verrill: Er ist eine Art trauriger Clown, der sich in schillernden Fantasieszenen beängstigende Treffen und Gespräche mit einem Meteoriten-Wissenschaftler, einem Arzt und seinem verstorbenen Vater imaginiert (die alle drei nicht von ungefähr vom gleichen Schauspieler dargestellt werden). Nicht zuletzt stellt „The Lonesome Death of Jordy Verrill“, so der aussagekräftigere Originaltitel, einen interessanten Gegenpol zur letzten Geschichte dar, in der ein zwar ebenso isolierter, aber tatsächlich böser Protagonist in ähnlicher Dynamik von einer permanent zunehmenden Plage übermannt wird.

In „Video-Spiele“ freuen wir uns nicht nur an einem bitterbösen Leslie Nielsen, der hier vergnügt wie Rumpelstilzchen chargieren darf, sondern befinden uns auch wieder in gewohntem Fahrwasser: perfide Morde, die sich für den Täter grausam rächen. Wobei die Perfidie nicht nur in der sadistischen Mordmethode, sondern auch in ihrer kühlen, bis ins kleinste Detail geplanten Umsetzung besteht: Richard Vickers gräbt seine Frau und ihren Geliebten bis zum Hals im Sand ein und verfolgt ihr Entsetzen ob der herannahenden Flut genüsslich über einen Videomonitor. Gewissermaßen ist die im Original wortspielerisch mit „Something to Tide You Over“ betitelte Geschichte eine ins Übernatürliche fortgeschriebene Variante von „Der Mauervorsprung“ aus Stephen Kings „Katzenauge“, wo ein Ehemann seinen Rivalen zwingt, in schwindelerregender Höhe einen schmalen Sims entlangzubalancieren. Während dort der Horror, zum Beispiel mit hackenden Tauben, sehr weltlich ist, kommt hier nun das ertrunkene Paar in einer surreal inszenierten Sequenz zombifiziert zurück – nebenbei wird dabei auch wieder der Aschenbecher aus Episode eins ins Blickfeld gerückt – und lässt sich im Gegensatz zu den Romero-Zombies auch nicht durch Kopfschüsse aufhalten.

Am sorgsamsten finden sich Figuren und Handlung in „Expedition ins Tierreich“ ausgearbeitet, einer Verfilmung der Stephen-King-Kurzgeschichte „The Crate“ („Die Kiste“) von 1979. Es sind eigentlich zwei Plots, die geschickt ineinander verschachtelt sind: Da ist zum einen das Monströse, Fremde, Andersartige aus der Arktis, das aus einer vergessenen Kiste in die beschauliche und friedliche Welt eines wissenschaftlichen Instituts hereinbricht – mit der eher simplen Message, dass man Kisten, die mit Warnhinweisen wie „Do not open!“ übersät sind, eben auch nicht öffnen sollte. (Kleiner Gag am Rande ist eine weitere Inschrift, die auf eine gewisse Julia Carpenter als Eigentümerin der Kiste hinweist: nicht nur ein Hinweis auf John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“-Remake, in dem ebenfalls ein Monster in der Arktis Schrecken verbreitet, sondern auch ein Augenzwinkern in Richtung Adrienne Barbeau, die hier in der Rolle der prolligen Wilma glänzt und damals mit Carpenter verheiratet war.) Zum anderen haben wir wieder den klassischen Plot von erlittenem Unrecht und ausgeübter Rache: Der Demütigungen durch Wilma müde, sorgt ihr Mann Henry dafür, dass sie mit dem Monster in der Kiste nähere Bekanntschaft macht.

Das Monster selbst wurde übrigens von Special-Effects-Guru Tom Savini durchaus beeindruckend gestaltet; als Vorlage diente wiederum eine EC-Comics-Figur, der „Tasmanische Teufel“. Interessant an der Episode, die vor allem von der überzeugenden Darstellung der Proll-Ehefrau und ihres genervten Gatten lebt, ist die Verlagerung der unausweichlichen Moral auf eine zweite, weniger offensichtliche Ebene: Denn obwohl Wilma, wie schon eingangs auf einer Gartenparty deutlich gemacht wird, keine Gelegenheit auslässt, ihren Mann bloßzustellen, obwohl sie eine ordinäre und schrille Person ist, rechtfertigt das nicht den grausamen Mord an ihr. Der eigentliche Bösewicht ist Henry, und die ausgleichende Gerechtigkeit vollzieht sich entsprechend erst im erwartungsgemäßen Schlussplot, als das in einem tiefen Steinbruchsee scheinbar sicher entsorgte Monster doch noch dem Ertrinkungstod entkommt – und immer noch Hunger hat. Wer das nächste Opfer sein wird, lässt sich unschwer erraten.

Die letzte Episode „Insektenspray“ gefällt vor allem mit einem grandios aufspielenden E. G. Marshall, damals ein bekannter Film- und Fernsehstar. Seine in den Marotten an Howard Hughes gemahnende Figur des idiosynkratischen Upson Pratt, der in seiner klinisch weißen Welt mehr oder minder untätig verharrt und mit der Außenwelt nur via Telefon und Türspion kommuniziert, wird nur insoweit entwickelt, als dass sich immer neue Facetten eines durch und durch skrupellosen und sadistischen Wesens zeigen, und angesichts seines Todes vergießt niemand eine Mitleidsträne. Ein straighter Durchmarsch, dem man höchstens vorwerfen kann, insbesondere am Schluss allzu vordergründig auf den Ekeleffekt zu setzen: Wer mag schon Küchenschaben?

In den EC Comics, dieser mythischen Verklärung einer besseren Welt, findet schließlich auch noch der kleine Billy aus der Rahmenhandlung (von Stephen Kings Sohn Joe gespielt) eine geeignete Waffe gegen seinen Vater: Dieser ist Comicfeind, und das ist nun wirklich evil. „Creepshow“ ist ganz großes Horrorvergnügen, wobei das leicht cheesyhafte 80er-Jahre-Flair unterdessen eher wieder als veredelnde Patina empfunden wird und zum (Trash-)Kult beiträgt. Auch wenn einige Szenen und Effekte recht krass ausfallen, behält der Humor die Oberhand, so dass es unverständlich ist, dass der Film hierzulande auch heute noch auf dem Index steht (die FSK-16-DVD ist stark geschnitten!). Wobei das King-Romero-Epos bereits beim Einzug in die deutschen Kinos Federn lassen musste: Um die Lauflänge auf ein akzeptableres Maß zu reduzieren, wurde die Episode „Video-Spiele“ komplett entfernt.


Beitrag veröffentlicht

in

von