Westworld (OT: Westworld); Regie: Michael Crichton; USA, 1973.
Darsteller:
Yul Brynner (Revolvermann), Richard Benjamin (Peter Martin), James Brolin (John Blane), Norman Bartold (Gast als Ritter), Alan Oppenheimer (Chef des Kontrollzentrums), Victoria Shaw (Königin), Dick Van Patten (Banker), Linda Gaye Scott (Arlette), Steve Franken (Techniker), Michael T. Mikler (schwarzer Ritter), Terry Wilson (Sheriff), Majel Barrett (Miss Carrie), Anne Randall (Dienerin), Julie Marcus (junge Frau im Kerker) …
Inhalt:
Die Freunde Peter und John besuchen gemeinsam „Delos“, einen Freizeitpark, der in drei Themenbereichen Raum für Vergnügungen und Ausschweifungen aller Art bietet: Im „Wilden Westen“ erlebt man Schießereien, besucht leichte Mädchen in plüschigen Etablissements oder prügelt sich im Saloon, im „Römischen Reich“ warten dekadente Orgien und im „Mittelalter“ geht es ebenso derb wie romantisch zu. Eigens programmierte, von Menschen kaum unterscheidbare Androiden erfüllen den Gästen alle Wünsche, bieten sich zu sexuellen Diensten an oder lassen sich über den Haufen schießen. Peter und John genießen in der „Westworld“ eine tolle Zeit – doch dann fangen die Computer und Roboter an verrücktzuspielen, und das Vergnügungsszenario wandelt sich zur tödlichen Bedrohung. Insbesondere der mechatronische Revolvermann (Yul Brynner) hat mit Peter und John noch eine Rechnung zu begleichen …
Kritik:
Michael Crichton kennt man vor allem als Romanautor von „Jurassic Park“ (1990), einer Dinosauriermär über die Hybris des Menschen, Leben zu schöpfen – was alsbald bestraft wird. Sein Regiedebüt „Westworld“ von 1973 weist eine ganz ähnliche Thematik auf: In Form von Androiden schafft sich der Mensch zur eigenen Belustigung ein Ebenbild und muss erleben, dass sich dieses gegen ihn auflehnt. Gleichzeitig aber ist der Film eine bitterböse Abrechnung mit der Vergnügungsindustrie, die sich mit immer neuen Thrills permanent selbst zu überbieten sucht: Angeblich hatte Crichton die Idee zu seinem fiktiven Freizeitpark „Delos“ während eines Besuchs in Disney World, wo er sich von den täuschend echt aussehenden Piraten in der Themenfahrt „Pirates of the Caribbean“ beeindruckt zeigte. Herausgekommen ist ein Film, der längst als moderner Klassiker gilt und sich zugleich jeder Kategorisierung verweigert, eine Melange aus Science-Fiction, Thriller und Horrorfilm, durchsetzt von – wenn auch nur in Simulation – Stilelementen des Western, gewürzt mit einem Schuss Komödie.
Im Zentrum des Geschehens stehen – nebst einigen anderen Delos-Gästen, auf die manchmal zwischengeblendet wird – die beiden Freunde Peter und John. Ihre Charaktere werden nicht weiter vertieft, ihre Geschichte bleibt weitgehend im Dunkeln. Sie fungieren ganz simpel als Durchschnittsamerikaner, die einmal die Sau rauslassen wollen – was in Delos ungestraft möglich ist. Wobei der Film bewusst mit den moralischen Implikationen spielt, die er aufwirft: Ist es legitim, auf einen Androiden zu schießen, der einem Menschen täuschend ähnlich sieht, der blutet wie ein Mensch? Ist es Ehebruch, mit einem künstlichen Menschen zu schlafen? Peter und John scheren sich nicht lange um diese Fragen, sondern nehmen das Angebot in seiner ganzen Bandbreite wahr: Sie schießen und prügeln, gehen ins Bordell, am Ende erschießen sie gar den Sheriff und werden zu „Outlaws“. Und so ist es nur folgerichtig, dass der Wendepunkt, das Kollabieren des Paradieses, vom Biss einer außer Kontrolle geratenen mechatronischen Schlange eingeleitet wird.
Rein formal besehen ist der Film in zwei Teile strukturiert: Die erste Stunde bringt uns das Leben in Delos und die Funktionsweise des Parks näher, die letzte halbe Stunde ist dann eine atemlose Verfolgungshatz, ein spannendes Duell zwischen dem einzigen Überlebenden Peter und dem Amok laufenden Revolvermann. Dieser ist zum einen eine Hommage an Yul Brynners Rolle aus dem 1960er Western „Die glorreichen Sieben“ – inklusive desselben schwarzen Kostüms –, zum anderen ein direkter Vorläufer von James Camerons „Terminator„: unaufhaltsam, unerbittlich; und im Übrigen auch mit interessanten Parallelen bei den Point-of-View-Shots: Aus der Sicht des Androiden wird die Welt zur unkenntlichen Pixellandschaft, aus der der Mensch nur durch seine Wärmeabstrahlung hervorsticht. Dem Horrorfilm entlehnt ist die strenge, konservative Moral: Die Gäste müssen sterben, weil sie sich unreflektiert dem dekadenten, bacchanalischen und orgiastischen Treiben hingegeben haben, die Wissenschaftler sind des Todes, weil sie sich angemaßt haben, „Leben“ zu schaffen. Peter hingegen, der als Einziger immer wieder Zweifel und Skrupel hatte, überlebt, wenn auch schwer traumatisiert.
„Westworld“ ist, auch wenn man über einige Logiklöcher hinwegsehen muss (Wenn eine mechanische Schlange eigentlich nie beißen darf, warum kann sie dann überhaupt beißen? Warum haben die Roboter überhaupt scharfe Munition?), ein in seiner Stringenz und narrativen Linearität bestechender und vor allem ungemein spannender Film, der aus der retrospektiven Sicht durch seine unschlagbare 70er-Jahre-Atmosphäre noch gewinnt. Ob die „unterdrückten“ Roboter und Maschinen nun tatsächlich ihren eigenen Willen entwickeln und sich rächen oder ob sie lediglich fatale Fehlfunktionen und falsche Zielprogrammierungen aufweisen, ohne ein Bewusstsein dafür zu haben, was sie tun, lässt der Film offen. In gewisser Weise gewinnt das Szenario gerade dadurch an Bedrohlichkeit, dass man noch nicht einmal das mit Sicherheit sagen kann. An den Folgen ändert es ohnehin nichts.