Videodrome

Videodrome

Videodrome; Regie: David Cronenberg; Kanada, 1983.

Darsteller:
James Woods (Max Renn), Sonja Smits (Bianca O’Blivion), Deborah Harry (Nicki Brand), Peter Dvorsky (Harlan), Leslie Carlson (Barry Convex), Jack Creley (Brian O’Blivion), Lynne Gorman (Masha), Julie Khaner (Bridey), Reiner Schwartz (Moses), David Bolt (Raphael), Lally Cadeau (Rena King), Henry Gomez (Brolley) …

Inhalt:
Irgendwann in der Zukunft: Max Renn (James Woods) arbeitet für einen Kabelsender und ist stets auf der Suche nach neuen Thrills: Sex und Gewalt will das Publikum. Sein Angestellter Harlan stößt auf einen Piratensender namens Videodrome, der sehr echt wirkende Gewaltszenen zeigt, und macht sich auf die Suche nach den Machern. Auch seine sadomasochistische Freundin Nicki Brand (Deborah Harry) ist sehr an „Videodrome“ interessiert, wenn auch aus anderen Gründen. Max macht indirekt Bekanntschaft mit dem seltsamen Professor Brian O’Blivion (Jack Creley) und muss am eigenen Leib die Erfahrung machen, dass „Videodrome“ beim Betrachter Gehirnveränderungen erzeugt, welche die Grenzen zwischen Realität, Gezeigtem und Halluzinationen mehr und mehr verschwimmen lassen …

Kritik:
„Es lebe das neue Fleisch!“, lässt Cronenberg seinen Max Renn an einer Stelle im Film ausrufen; und tatsächlich hat „Videodrome“ im Schaffen des kanadischen Regisseurs eine ganz besondere Stellung, wird hier doch radikaler als in allen anderen Werken die „New Flesh“-Philosophie vermittelt, die Mutation der Menschen zu neuen Wesen mit neuen Fähigkeiten als ihre Reaktion auf neue Umwelteinflüsse. Es geht um die Allgegenwärtigkeit des Mediums TV, doch begnügt sich „Videodrome“ nicht mit wohlfeiler Medienschelte (ansonsten müsste man dem Film auch vorhalten, dass er den gleichen Gewaltvoyeurismus, den er kritisiert, selbst bedient), sondern hinterfragt auf einer tieferen Ebene das Verhältnis zwischen Mensch und Medium.

Max Renn verschmilzt nicht nur immer mehr mit einer Scheinrealität, die sich aus den Bildern der TV-Apparate speist, er muss auch erleben, dass sein Körper mutiert: Durch einen vulvaartigen Schlitz in seinem Bauch, in den man Videokassetten schieben kann, wird er praktisch selbst zum Abspielgerät, sein Gehirn wird zur Leinwand des Gezeigten. In der Bauchhöhle findet sich auch eine Pistole, die später fest mit seiner Hand verwächst und, monströs fleischüberwuchert, Teil seines Körpers wird – keine Frage, ob er sie benutzen wird, er wird zum „Schießwesen“, das keine andere Wahl hat. Cronenberg gönnt dem Zuschauer hierbei keinen allwissenden, objektiven Blick auf das Ganze, wir erleben die Geschehnisse stets aus der Perspektive von Max Renn, der von James Woods glaubhaft und intensiv dargestellt wird. Entsprechend wird man in ein Verwirrspiel hineingeschickt, das raffiniert falsche Fährten legt und seine Puzzleteilchen wild verstreut.

„Videodrome“ ist in gewisser Weise ein selbstreferenzieller Film, der die Bilder, die er zeigt, gleichzeitig thematisiert. Oder, auf die Ebene des Horrorfilms übertragen, und ein solcher ist „Videodrome“ letztlich: In der Verwischung von Film und Film im Film wird der Film selbst zum Monster. Wie fast alle Frühwerke von Cronenberg geizt auch „Videodrome“ nicht mit blutigen und abstoßenden Effekten, die auch aus heutiger Sicht noch äußerst gut und wirksam umgesetzt sind. Doch die Schocks sind sparsam eingesetzt, im Vordergrund steht die fatale Dynamik, mit der der Protagonist in eine Scheinwelt eingesogen wird, in der sich seine Handlungen mehr und mehr seiner rationalen Kontrolle entziehen. Ein beeindruckender Film!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: