Martin

Martin

Martin (OT: Martin); Regie: George A. Romero; USA, 1977.

Darsteller:
John Amplas (Martin Madahas), Lincoln Maazel (Tada Cuda), Christine Forrest (Christina), Elyane Nadeau (Mrs. Santini), Tom Savini (Arthur), Sara Venable (Hausfrau / Opfer), Francine Middleton (Opfer in Zug), Roger Caine (Lewis), George A. Romero (Father Howard), James Roy (Deacon), J. Clifford Forrest Jr. (Father Zulemas), Robert Ogden (Geschäftsmann), Donaldo Soviero (Geistlicher in Flashback) …

Inhalt:
Martin ist ein ruhiger und unauffälliger junger Mann, der zurückgezogen in Pittsburgh lebt. Nur sein Cousin kennt auch seine andere, die dunkle Seite: Seine Gier nach Blut. Ist Martin der Vampir, für den er sich hält oder vom Teufel besessen, den sein Cousin in ihm sieht? Ist Exorzismus der letzte Ausweg?

Kritik:
Ein Jahr vor seinem Zombie-Meisterwerk „Dawn of the Dead“ drehte George A. Romero mit „Martin“ seinen eigenen Aussagen nach persönlichsten Film, was sicher auch auf die fast familiäre Produktionsweise des Low-Budget-Streifens zurückzuführen ist: Gerade 10-15 Personen waren, Schauspieler mit einbegriffen, in die Produktion involviert, das Haus von Martin wurde von einem befreundeten Ehepaar zur Verfügung gestellt, wobei die Ehefrau liebevoll für die Crew kochte. Nicht zuletzt lernte George A. Romero mit der weiblichen Hauptdarstellerin Christine Forrest hier seine spätere Ehefrau kennen und lieben, und der Film markierte den Anfang seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Maskenbildner und Gore-Guru Tom Savini, der hier – wie auch Romero selbst – in einer Nebenrolle zu sehen ist.

„Martin“ ist ein Film mit hohem Kultpotenzial, der Serial-Killer- und Vampirfilm-Motive mit Selbstfindungs- und Coming-of-Age-Aspekten vermischt. Die anfängliche Zugfahrt von Martin zu seinem (scheinbar mindestens 50 Jahre älteren) Cousin in Pittsburgh, Pennsylvania, führt ihn ein als planvoll vorgehenden Killer und gleichzeitig als Vampir der Moderne, der routiniert mit Betäubungsspritzen und Rasierklingen umzugehen weiß – das Bild von Martin mit einer Spritze quer zwischen den Zähnen (um die Hände frei zu haben) ist, mehrfach im Film wiederholt, visuell konstituierend für die Figur.

Ist Martin denn nun tatsächlich ein Vampir oder lediglich ein Verrückter mit psychopathischem Blutdurst, dem seine verhängnisvolle Neigung vielleicht von seiner Familie eingeredet wurde? Er selbst glaubt daran, ein Vampir zu sein, und offenbart in Telefongesprächen mit einem Radiosender, dessen Moderator natürlich mit einem profilierhungrigen Spinner zu sprechen glaubt, seine Nöte. Denn letztlich ist er, und das lässt Mitleid mit ihm entstehen, gleichzeitig auch jemand, der keine Freunde hat und nie Liebe erfahren hat und dessen einzige Liebesbeziehung mit einer älteren Hausfrau tragisch mit dem Selbstmord der Depressiven endet. Die atmosphärisch inszenierten Schwarzweiß-Rückblenden zeigen, wie Martin schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Verfolgungen ausgesetzt ist, offen bleibt, ob es sich lediglich um die verdrehten, eingebildeten Erinnerungen des Protagonisten handelt. Martin selbst tut alles, um seinen Cousin, der ihn in fast schon satirisch übersteigerter Vampirgläubigkeit mit „Nosferatu“ anspricht und das Haus mit (wirkungslosen) Knoblauchknollen und Kruzifixen vollhängt, davon zu überzeugen, dass es keine Magie gibt, was diesen nicht davon abhält, einen Priester zum Exorzismustermin zu bestellen.

Die schön sleazigen 70er-Jahre-Bilder zeigen das amerikanische Pittsburgh als einen zum Leben wenig lohnenden Ort. Müll, Elend und eine hohe Arbeitslosenquote, gepaart mit piefiger Vorortspießigkeit, bestimmen das Bild. Die Parallelen zu Martin selbst sind unübersehbar, der Ort ist ebenso Auslaufmodell wie Martins Vampirdasein. „Martin“ ist ein absolut außergewöhnlicher Film, der gekonnt mit dem Vampirmythos spielt und trotz einer eher depressiven Grundstimmung auch komische Elemente beinhaltet, etwa den derwischhaften Überfall von Martin auf die Villa mit groteskem Hide’n’Seek oder wenn er im Telefongespräch mit dem Radiosender fast neidisch konstatiert, dass die Vampire in den Filmen ja immer „ihre Frauen“ hatten.


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