Schock – The Quatermass Experiment

Schock - The Quatermass Experiment
Schock – The Quatermass Experiment (OT: The Quatermass Xperiment); Regie: Val Guest; Großbritannien, 1955.


Darsteller:
Brian Donlevy (Prof. Bernard Quatermass), Jack Warner (Inspector Lomax), Richard Wordsworth (Victor Carroon, Mitglied der Raumschiff-Crew) Margia Dean (Mrs. Judith Carroon), Thora Hird (Rosemary ‚Rosie‘ Elizabeth Rigly), Gordon Jackson (BBC TV Producer), David King-Wood (Dr. Gordon Briscoe, Assistent von Quatermass), Harold Lang (Christie – der Mann, der Victor bei der Flucht half), Lionel Jeffries (Blake), Sam Kydd (Police Sergeant), Jane Aird (Mrs. Lomax), Margaret Anderson (Maggie), Jane Asher (kleines Mädchen) …

Inhalt:
Irgendwo in der englischen Provinz, 50er Jahre: Die Bevölkerung wird durch die Bruchlandung einer Rakete aufgeschreckt. Es stellt sich heraus, dass es sich um das zur Erde zurückgekehrte Raumschiff einer geheimen Mission handelt, die nach ihrem Leiter „Quatermass Experiment“ genannt wird. Von der dreiköpfigen Besatzung hat nur Victor Carroon im Zustand einer Schock-Apathie überlebt. Seine Frau Judith entführt ihn aus dem Krankenhaus, dabei muss sie feststellen, dass er von seltsamen Mutationen befallen ist. Nach und nach scheint sich Victor in ein alles verschlingendes Monster zu verwandeln …

Kritik:
Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre hatten die noch jungen Hammer Film Productions ihr Erfolgsrezept darin gefunden, Radiohörspiele, zumeist Krimis und Agentenstorys, filmisch aufzubereiten. Und mit den von Terence Fisher produzierten Kinofilmen „Four Sided Triangle“ und „Spaceways“ wagte man schon 1953 (mit bescheidenem Erfolg) erste Ausflüge in die Science-Fiction. Für „Schock“ erwarb Hammer-Mastermind Anthony Hinds von der BBC die Filmrechte an der damals äußerst populären TV-Serie „The Quatermass Experiment“ und beauftragte Val Guest, der für Hammer bereits einen „Robin Hood“-Film inszeniert hatte, mit dem Drehbuch. Der im Bereich SF noch unerfahrene Regisseur entschied sich für einen nüchternen, semidokumentarischen Stil, der gerade aus heutiger Sicht ausgezeichnet mit den kühlen Schwarzweißbildern harmoniert.

Einige Unterschiede erfuhr die titelgebende Person des Professor Bernard Quatermass: Mit Hinblick auf den US-amerikanischen Markt wollte man den Film nicht zu „englisch“ werden lassen und engagierte mit Brian Donlevy einen bekannten amerikanischen Schauspieler für die Hauptrolle. Dieser hatte sich vor allem im Film noir der 40er Jahre mit zahlreichen Schurkenrollen einen Namen gemacht, befand sich aber Mitte der 50er vor allem im Nebel des Alkohols. Dennoch machte er seine Sache sehr gut. Repräsentiert Quatermass in der TV-Serie eher den Typus des introvertierten Wissenschaftlers, lässt Donlevy ihn als Tatmenschen erscheinen, oft burschikos und selbstbewusst bis an die Grenze der Arroganz, der seinen wissenschaftlichen Ehrgeiz über alles andere stellt. „In der Wissenschaft ist kein Platz für Gefühle!“, herrscht er die Frau des unglücklichen Astronauten Victor an. Zitate wie dieses und das ironisch-böse Ende des Films ließen den Katholischen Filmdienst damals empört urteilen, der Film praktiziere „[…] die Missachtung menschlichen Wertes und menschlicher Würde durch eine Wissenschaft, die sittliche Hemmungen kaum zu kennen scheint“.

Mit der erzählten Geschichte verließ man sich auf einen klassischen Standard des Invasionskinos: die schleichende Unterwanderung der Menschheit durch eine monströse Gefahr aus dem All. Victor Carroon, der einzige Überlebende aus der abgestürzten Quatermass-Rakete, wurde in den unendlichen Weiten des Alls in Besitz genommen von einem amorphen Alien, das die Fähigkeit hat, jedwedes pflanzliches, tierisches und auch menschliches Leben durch Aussaugen zu absorbieren, wobei es zu einem unförmigen, glibberigen Wesen anwächst, das im Showdown gewisse Ähnlichkeiten mit einer Riesenkrake nicht verleugnen kann. Im Gegensatz zu Klassikern wie „Kampf der Welten“ (1953), in denen die Menschheit, nachdem sie ihr ganzes Waffenarsenal bis hin zur Atombombe verschossen hat, letztlich durch eine glückliche Fügung der Natur gerettet werden, lässt sich das Monstrum hier am Schluss relativ unkompliziert in die ewigen Jagdgründe schicken, indem man das Baugerüst in der Westminster Abbey, auf dem es sich zum Schluss verschanzt, unter Starkstrom setzt – die Bezüge zu einer Hinrichtung des Bösen auf dem elektrischen Stuhl sind augenfällig. Dass Hammer schon damals zu unkonventionellen Methoden der Budget-Schonung neigte, zeigt folgende Anekdote: Um eindrucksvoll zu zeigen, dass der gesamte verfügbare Strom zur Vernichtung des Aliens gebraucht wurde, wollte man für einen Moment dramatisch die Außenbeleuchtung der Battersea Power Station von London erlöschen lassen, und bestach hierfür einen der dort angestellten Techniker. Der missverstand seinen Auftrag und schaltete prompt den Strom für die gesamte Innenstadt ab – so dass Hammer in den Genuss von Aufnahmen kam, wie entlang des gesamten Themse-Ufers die Lichter ausgingen. Am nächsten Tag schrieben die Zeitungen etwas von einem „unerklärlichen Stromausfall“.

Auch wenn der Film über weite Strecken von der prägnanten Darstellung des Quatermass und seinem ewigen Clinch mit dem Polizeiinspektor Lomax lebt – die Ambivalenz der Beziehung zwischen Rivalität und Kooperation wird gut herausgearbeitet –, ist es letztlich Richard Wordsworth, der mit seiner eindringlichen und intensiven Darstellung des gequälten Victor Carroon „Schock“ weit über den Durchschnitt der Genrekost hinaushebt. Dialogisch ist ihm nur ein Satz vergönnt, ein flehentliches „Helft mir!“, bevor er in katatonische Starre verfällt. Umso mehr lässt sich sein verzweifelter Kampf mit dem, was von ihm Besitz genommen hat, im Spiel seiner Augen ablesen. Die Parallelen zu „Frankenstein“ sind hierbei offenkundig und werden vom Drehbuch durch eine anrührende (und glimpflich verlaufende) Szene unterstrichen, in der Victor einem kleinen Mädchen begegnet.

Trotz bescheidenem Budget gelang Hammer mit „Schock“ ein Spielfilm, der für die damalige Zeit erschreckend genug war, dass ihm die britische Zensurbehörde ein X-Rating, also eine Freigabe erst ab 16 Jahren, verpasste. Damit warb man nur allzu gerne, indem man den Originaltitel in „The Quatermass Xperiment“ änderte und das „X“ auf den Filmplakaten leuchtend rot hervorhob. In den USA startete der Film als „The Creeping Unknown“, während er in die deutschen Kinos schlicht als „Schock“ kam. Der Erfolg des Films stellte nachhaltig die Weichen von Hammer hin zur Phantastik und zog nicht nur zwei Fortsetzungen nach sich, sondern darf auch als Wegbereiter der berühmten Klassiker des Studios gelten.




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