Misery

Misery

Misery (OT: Misery); Regie: Rob Reiner; USA, 1990.

Darsteller:
James Caan (Paul Sheldon), Kathy Bates (Annie Wilkes), Richard Farnsworth (Buster), Frances Sternhagen (Virginia), Lauren Bacall (Marcia Sindell), Graham Jarvis (Libby), Jerry Potter (Pete), Thomas Brunelle (Moderator), June Christopher (Moderatorin), Julie Payne (Reporter #1), Archie Hahn III (Reporter #2), Gregory Snegoff (Reporter #3) …

Inhalt:
„Ich bin Ihr Fan Nummer Eins.“ So stellt sich die allein lebende Krankenschwester Annie Wilkes dem Schriftsteller Paul Sheldon vor, den sie nach einem Autounfall aus dem Wrack gerettet hat. Was dieser noch nicht weiß: Annie Wilkes ist komplett verrückt und dreht auch prompt durch, als sie erfährt, dass Sheldon seine fiktive Protagonistin Misery Chastain im letzten Band seiner Trivialromanreihe hat sterben lassen. Mit Gewalt und Psychoterror zwingt sie ihn, eine Fortsetzung zu schreiben, „ihre“ Heldin wieder zum Leben zu erwecken. Für Paul Sheldon beginnt ein wochenlanges Martyrium …

Kritik:
Stephen Kings SIE („Misery“ ist der amerikanische Originaltitel des Buches) ist nicht nur einer seiner besten Horror-Romane, sondern bot sich darüber hinaus wie kaum ein anderes seiner Bücher zur Verfilmung an. Rob Reiner wiederum zeichnete mit „Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“ bereits für eine der gelungensten King-Verfilmungen überhaupt verantwortlich, und für Stephen King, der nach einigen schlechten Erfahrungen die Rechte an dem Buch ursprünglich überhaupt nicht weggeben wollte, war es denn auch ein Leichtes, mit Reiners Firma Castle Rocks handelseinig zu werden. King: „Der Vertrag galt nur mit Rob als Regisseur oder Produzent.“

Rob Reiner hat aus der düsteren, von langen inneren Monologen und Beschreibungen physischer und psychischer Schmerzen geprägten Vorlage ein charakterstark besetztes Kammerspiel gezaubert, mit einem sehr souverän agierenden James Caan als Sheldon und Kathy Bates als Annie, die perfekt alle Höhen und Tiefen des Wahnsinns darstellt. Zu Recht mit einem „Golden Globe“ und einem Oscar für ihre Rolle ausgezeichnet, spielt sie den an Dr. Jekyll und Mr. Hyde gemahnenden Borderline-Effekt perfekt – denn man nimmt ihr nicht nur die geifernde Besessenheit ab, sondern auch die tief empfundene Fürsorge für ihren Patienten und Gefangenen. „Wir entschieden, sie sollte keineswegs verrückt agieren, aber das, was sie tat, sollte doch völlig verrückt sein“, erläutert der Regisseur dazu.

In den Nebenrollen interessant: Lauren Bacall als Sheldons kühle Agentin Marcia Sindell, die allerdings wenig mehr zu tun hat, als Sheldon hie und da ein wenig hinterherzutelefonieren, und Richard Farnsworth als der kauzige Sheriff Buster. Das alte Sheriff-Ehepaar fügt dem Film eine wohltuend humoristische Ebene hinzu: Lustig, wie die Frau ihrem Mann eifersüchtige Vorhaltungen macht. Rührend, wie sich das Pärchen zu lieben scheint. Wobei der Film für die so liebevoll aufgebaute Figur des Sheriffs, so viel darf wohl verraten werden, ein jähes Ende bereithält. „Ehrlich gesagt ist es das erste Mal, dass ich mein Publikum zu Entsetzensschreien treibe“, meint Rob Reiner. „Aber das macht fast so viel Spaß, als würde ich alle zum Lachen bringen.“

Mit seiner ihm eigentümlichen Ironie schafft Reiner immer wieder schöne Aha-Erlebnisse für Cineasten; die stets wiederkehrende Hubschrauber-Perspektive auf das Annie-Wilkes-Haus baut etwa das Haus selbst zu einem Bedeutungsträger des Unheils auf und gemahnt an die sich wiederholenden Kameraeinstellungen auf das Bates-Motel in Hitchcocks „Psycho“. Und auch die Treppe mit rückwärtigem Kellereingang scheint nicht nur von der Optik, sondern auch von der Bedeutung diesem Klassiker entliehen zu sein – oben Schlafzimmer, unten das Grauen.

Die Verfilmung von Misery schafft es, dem Buch eine eigene Interpretation entgegenzusetzen, die stark genug ist, dass sie auch ohne die Vorlage funktioniert. Was natürlich vor allem an der exzellenten, treffsicher ausgesuchten Starbesetzung liegt. Und es ist ein Film, der trotz seiner Schockeffekte der Geschichte ihren Raum lässt – eine Geschichte, in der King metaphorisch kaum verhüllt von seinen eigenen inneren Gefängnissen erzählt.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: