Lautlos im Weltraum

Lautlos im Weltraum

Lautlos im Weltraum (OT: Silent Running); Regie: Douglas Trumbull; USA, 1972.

Darsteller:
Bruce Dern (Freeman Lowell), Cliff Potts (John Keenan), Ron Rifkin (Marty Barker), Jesse Vint (Andy Wolf), Mark Persons (Robot 2 / Huey), Steven Brown (Roboter), Cheryl Sparks (Robot 1 / Dewey), Larry Whisenhunt (Roboter) …

Inhalt:
Längst ist die Erde durchtechnisiert, überall herrschen konstante 23 Grad Celsius. Aber: Es gibt keine Natur mehr, keine Tiere, keine Wälder. Die allerletzten intakten Ökosysteme befinden sich in gigantischen Kuppeln, angekoppelt an Weltraumtransporter, auf einer Weltraumreise ohne Ziel. Als schließlich die Order an die Crew der Transporter ergeht, die Kuppeln zu sprengen und die Mission zu beenden, lehnt sich der Botaniker Freeman Lowell, einer der Raumfahrer auf der „Valley Forge“, gegen den Befehl auf. Um den letzten Wald der Erde zu retten, tötet er die anderen drei Besatzungsmitglieder. Nur von zwei intelligenten Wartungsrobotern begleitet, treibt Lowell mitsamt dem Wald einem ungewissen Schicksal entgegen …

Kritik:
Douglas Trumbull, der mit „Silent Running“ sein Regiedebut vorlegte, ist Filmkennern eher als herausragender Trickeffekt-Spezialist denn als Regisseur bekannt. Maßgeblich war er etwa an der Optik von „2001 – Odyssee im Weltraum“ oder auch „Blade Runner“ beteiligt. Und so nimmt es nicht wunder, dass „Silent Running“ mit künstlerisch arrivierten Weltraumszenen aufwarten kann, wobei Konzept und Optik dicht an Stanley Kubricks vier Jahre zuvor entstandenen Klassiker angelehnt sind: Eindrucksvolle Impressionen majestätisch langsam durchs Bild gleitender Raumtransporter werden entweder durch absolute Stille noch verstärkt oder aber musikalisch adäquat untermalt. Allerdings setzt sich der Soundtrack hier nicht aus klassischen Werken zusammen, sondern aus einem elegischen Score von Peter Schickele und dem sehnsuchtsvollen Gesang von Joan Baez, die zum Film die beiden Songs “ Rejoice in the Sun“ und „Silent Running“ beisteuerte.

Doch der Film verlässt sich nicht nur auf seine über jeden Zweifel erhabene Optik, sondern überzeugt auch mit einer guten Story, die ganz im Geiste des aufkeimenden Umweltbewusstseins und der Flower-Power-Bewegung der 60er und 70er Jahre steht. Und auch wenn einem die Ökobotschaft typisch für die Zeit auf einem Silbertablett serviert wird, ist wohltuend festzuhalten, dass alle Charaktere sowie die beiden antagonistischen Prinzipien – auf der einen Seite das Bekenntnis zu Umweltschutz und Individualismus, auf der anderen Seite unhinterfragter Fortschrittsglaube gepaart mit Gleichgültigkeit – nicht klischeehaft überzeichnet sind, sondern sehr differenziert dargestellt werden. So werden die Weggefährten von Lowell zwar als gleichgültig gegenüber ökologischen Bedenken, als bequem und hedonistisch gezeigt, aber ganz sicher nicht als böse – während Lowell selbst eine Identifikationsfigur mit bewussten Brüchen ist; heldenhaft in seinem Bestreben, den letzten Wald der Erde zu retten, aber oft emotional unbeherrscht, teils sogar im Pathos seiner Argumentationen leicht fanatisch wirkend, ein authentisch wirkender Rebell wider Willen.

Die große Frage, die hier aufgeworfen wird, ist einmal wieder: Legitimieren höhere Ziele dazu, andere zu töten? Freeman Lowell, der Vorname deutet es schon an, ist nicht nur Kämpfer für die Erhaltung und Rettung des Ökosystems Wald, sondern auch für das Recht auf Individualismus, Einzigartigkeit, Fantasie und Selbstverwirklichung. Die Frage der Legitimation stellt er sich nicht, er tötet seine Weggefährten mehr im Affekt im Moment höchster emotionaler Erregung und Verzweiflung. Doch so verständlich sein Handeln auch erscheinen mag, letztlich muss er am moralischen Dilemma seiner Tat, an seinen Schuldgefühlen und an seiner Einsamkeit zugrunde gehen.

Seine stärkste Intensität entwickelt die düstere Utopie in der zweiten Hälfte, die Charakterdarsteller Bruce Dern fast im Alleingang stemmt. Unvermutet befindet sich der Zuschauer in einem interstellaren Kammerspiel, in einer Robinsonade, wobei die Rolle des Freitag von zwei Wartungsrobotern übernommen wird, die als Lowells letzte Weggefährten mehr und mehr menschliche und mitfühlende Züge entwickeln und die mit ihrem watschelnden Gang etwas seltsam Anrührendes haben. Gespielt wurden sie übrigens, dies als ebenso bizarre wie faszinierende Fußnote, von beinamputierten Laiendarstellern, die auf ihren Händen liefen. Es ist ein klassischer Individuationsweg, der gezeigt wird: Lowell ist mit seiner neuen Situation zunächst überfordert – aus Langeweile fährt er sogar mit den Service-Mobilen einsame Rennen, was direkt auf die Szene in der ersten Filmhälfte rekurriert, da ebendieser Spaß bei seinen Kumpels, inklusive fahrlässiger Beschädigung von Pflanzenrabatten, symbolhaft für deren Oberflächlichkeit und Gedankenlosigkeit stand. Erst nach und nach arrangiert er sich mit seiner Situation, wobei jedoch auch deren Ausweglosigkeit immer deutlicher wird.

Mit seiner visuellen Kraft und seiner gut durchkonstruierten Geschichte ist „Silent Running“ ein Film, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, wenn man vielleicht vom heute wieder als schrill und kultig empfundenen 70er-Jahre-Interieur des Raumschiffes (gedreht wurde an Bord eines ausgemusterten Flugzeugträgers der US-Marine) absieht. Douglas Trumbull gelangen äußerst memorable und kraftvolle Szenen, die sich zu einem melancholischen Gesamtbild verdichten, das in Verbindung mit dem wundervollen Soundtrack ein ums andere Mal die Kraft hat, den Zuschauer zu Tränen zu rühren und tief zu bewegen. Ein ganz großer Klassiker des kritischen Science-Fiction-Films aus der hochinteressanten Zwischenära, als man sich von der plakativen Naivität des Invasionskinos der 50er und 60er Jahre bereits verabschiedet hatte, andererseits aber der bombastische Weltraumkitsch beispielsweise der „Star Wars“-Saga noch in ferner Zukunft lag.


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