Im Banne des Dr. Monserrat

Im Banne des Dr. Monserrat

Im Banne des Dr. Monserrat (OT: The Sorcerers); Regie: Michael Reeves; Großbritannien, 1967.

Darsteller:
Boris Karloff (Prof. Marcus Monserrat), Elizabeth Ercy (Nicole), Ian Ogilvy (Mike Roscoe), Victor Henry (Alan), Sally Sheridan (Laura), Alf Joint (Ron, der Mechaniker), Meier Tzelniker (der jüdische Bäcker), Gerald Campion (Mann im China-Shop), Susan George (Audrey), Ivor Dean (Insp. Matalon), Peter Fraser (Kriminalbeamter), Martin Terry (Tabakhändler), Bill Barnsley (Polizist in Pelzgeschäft), Catherine Lacey (Estelle Monserrat) …

Inhalt:
Dr. Marcus Monserrat (Boris Karloff) führte vor Jahren Experimente mit Hypnose durch und wurde für seine Arbeiten schließlich wissenschaftlich entehrt. Für ein neues Verfahren sucht er nun eine junge Testperson, die er im gelangweilten Mike (Ian Ogilvy) findet. Nach der Hypnose ist Mike mit dem alten Ehepaar telepathisch verbunden, Monserrat und seine Frau können ihn „lenken“, umgekehrt verspüren sie seine Empfindungen. Vor allem Estelle, Monserrats Frau, genießt diesen Effekt als Jungbrunnen und treibt Mike zu immer extremeren Taten, bis hin zum Mord …

Kritik:
Folgende Anekdote soll sich bei den Dreharbeiten zu „The Witchfinder General“ („Der Hexenjäger“, 1968), jenem Film, der den Kultstatus von Regisseur Michael Reeves begründete, zugetragen haben: Der damals 24-jährige Reeves, der sich mit dem Hauptdarsteller Vincent Price nicht sehr gut verstand und lieber Donald Pleasence in der Hauptrolle gehabt hätte, ermahnte den Horrormimen immer wieder, von seinem Over-Acting abzulassen und die Rolle mehr „seriously“ zu spielen. Price meinte schließlich verärgert: „Junger Mann, ich habe 84 Filme gemacht, und was haben Sie vorzuweisen?“ Daraufhin Reeves: „Ich habe zwei gute Filme gemacht …“ Woraufhin die Crew und schließlich auch Vincent Price in Gelächter ausbrach – und Price im Folgenden eine Darstellung hinlegte, die als eine der besten und grimmigsten in seiner Karriere gilt. Für Michael Reeves sollte es allerdings der letzte Film gewesen sein; ein Jahr später starb der depressive, alkohol- und drogenabhängige Regisseur an einer Überdosis Barbituraten, ob suizidal oder „versehentlich“, konnte nicht geklärt werden.

Nun, „The Sorcerers“ (= die Zauberer), ein Jahr zuvor 1967 entstanden, ist einer der „zwei guten Filme“. Boris Karloff, damals schon 79 Jahre alt, spielt darin den desillusionierten und wissenschaftlich entehrten Dr. Marcus Monserrat, der zusammen mit seiner Frau Estelle (großartig: Catherine Lacey), die ihm auch als Assistentin zur Hand geht, Forschungen auf dem Gebiet der Hypnose macht. Nun suchen sie einen leicht beeinflussbaren Freiwilligen. Und Monserrat weiß: „Es gibt genügend junge Leute, die Pillen schlucken, die sich mit Cola vollpumpen …“ Als solchen lernen wir zeitgleich den jungen Mike (Ian Ogilvy, der auch den Soldaten Richard Marshall in „Der Hexenjäger“ spielte) kennen, einen typischen Vertreter der Beatgeneration, der leicht schnöselig und mehr oder minder gelangweilt alles auf sich zukommen lässt. Und so überrascht es auch nicht, dass sich Mike, als sich die Wege kreuzen, als ideale Versuchsperson entpuppt: Monserrat verspricht ihm ungeahnte Rauscherlebnisse, und er unterzieht sich freiwillig einer Hypnose der besonderen Art, die der Film mit quietschenden, pfeifenden Synthesizern und psychedelisch flackernden Lichteffekten in einem mit allerlei Armaturen und Kontrollpulten ausgestatteten, klinisch weißen Labor würdig abzufeiern weiß.

Fortan ist Mike dem Willen des alten Ehepaars ausgeliefert, welches per hypnotischer Fernsteuerung nicht nur seine Handlungen diktieren kann, sondern auch seine Empfindungen mitfühlt – was so weit geht, dass sogar ein Schnitt, den sich Mike versehentlich ins Handgelenk beibringt, parallel bei Monserrat und seiner Frau auftritt. Das zunächst rein wissenschaftlich gedachte Experiment gerät schnell aus dem Ruder, denn die beiden Alten genießen es mehr und mehr, an Mikes Erlebniswelt als Jungbrunnen teilzuhaben. Speziell Estelle verlangt es nach immer stärkeren Thrills, so dass es schon bald zur Katastrophe kommt …

So weit, so trashig. Vom reichlich konstruierten und natürlich absolut unglaubwürdigen Plot her bietet der Film wenig, was einen wirklich überraschen oder umhauen könnte. Die sinistre Ausführung des B-Movies weiß aber – auch wenn der Film an Reeves‘ Meisterwerk „Der Hexenjäger“ nicht heranreicht – trotz Low-Etat zu gefallen. Da ist zum einen der offenkundige Gegensatz zwischen der lärmigen, spaßbetonten Beatnik-Welt des Swinging London der 60er und dem einsamen, stillen Dasein des alten Ehepaars: Altern, so sagt der Film, ist no fun. Ganz besonders in einer Szene wird das deutlich, in der Estelle versucht, Macht über Mike zu gewinnen und zwischen Mike, der im Zimmer seiner Freundin grelle Beatmusik hört, und Estelle, in deren Wohnung nur das bedrückende Ticken einer Uhr (Vorsicht, Metapher!) zu hören ist, hin und her geschnitten wird. Und bei der „Blow Up“-mäßigen Inszenierung der schwingenden Sechziger im Club mit authentisch von Lee Grant & The Capitols dargebotenen schrammeligen Gitarrensounds, Rollkragenpullovern, „Mini-Mädchen“ und stets gefüllten Colagläsern gehen einem sowieso Herz und Ohren über.

Wie so oft sieht man hier Boris Karloff in der Rolle des seltsamen und verkannten Wissenschaftlers – aber diesmal nicht im Ambiente einer Phantasiewelt, sondern in einer bedrückend wirkenden Wohnung, die mit ihren vergilbten Blümchentapeten eine erschreckende Visualisierung von Altern und Einsamkeit abgibt und im derben Kontrast zur bunten Beatnikwelt steht. Nein, Dr. Monserrat ist alles andere als ein dämonischer Weltherrscher, er ist frustriert, müde, vom Leben gedemütigt.

Aber auch Jungsein macht nicht glücklich, lehrt uns der zutiefst pessimistische Film am Beispiel von Mike, dem als gut aussehendem Mädchenschwarm alle Türen offen stehen und der doch lieber aus schierer Langeweile ins Verderben rennt. Ian Ogilvy geht dabei ganz auf in seiner ans Jekyll-Hyde-Motiv erinnernden Rolle, weiß die zunehmende Irritation und Verzweiflung um seine Black-outs schon in seinem Mienenspiel großartig auszudrücken. Und schließlich bringt auch die Entdeckung des „Jungbrunnens“ den Alten nicht das ersehnte Glück, es folgen Streit und Entzweiung, und schon bald regiert bei Estelle der schiere Wahnsinn. Der Schluss des Films ist dann – wenn auch tendenziell vorhersehbar – in seiner Radikalität überraschend, brillant, böse und schockierend.

„Im Banne des Dr. Monserrat“ ist ein nihilistischer, ein grimmiger Film, der wie eine mentale Vorwegnahme der kommenden Punk-Ära wirkt und rein gar nichts vom Flower-Power-Feeling der späten 60er atmet. Ein Film, zu dem auch folgende, bizarre Fußnote passt: Kurz nach den Dreharbeiten wurde Victor Henry, der den besten Freund von Mike spielt, von einem Bus erfasst. Er verbrachte die nächsten 17 Jahre in einem vegetativen Koma, bis die Ärzte 1985 den Stecker zogen.


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