Die Satansweiber von Tittfield

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Die Satansweiber von Tittfield (OT: Faster, Pussycat! Kill! Kill!); Regie: Russ Meyer; USA, 1965.

Darsteller:
Tura Satana (Varla), Haji (Rosie), Lori Williams (Billie), Sue Bernard (Linda), Stuart Lancaster (alter Mann), Paul Trinka (Kirk), Dennis Busch (The Vegetable), Ray Barlow (Tommy), Michael Finn (Tankwart) …

Inhalt:
Varla, Rosie und Billie arbeiten als Striptease-Tänzerinnen in einem miesen Schuppen. Als Kontrastprogramm machen sie tagsüber rasante Ausflüge mit ihren Sportwagen. In der Wüste fordern sie einen jungen Mann, Tommy, zu einem Autorennen heraus. Es entbrennt ein Streit, in dessen Verlauf Varla Tommy tötet. Das Trio flüchtet und nimmt dabei Tommys Verlobte Linda mit sich. Schließlich landen sie auf einer Farm, wo ein alter Mann mit seinen beiden Söhnen lebt. Varla und ihre Freundinnen haben es auf das Geld des Mannes abgesehen, doch die Farmbewohner erweisen sich als unerwartet wehrhaft …

Kritik:
„Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ Ein Titel, der eigentlich das ganze Schaffen von Russ Meyer in drei Wörtern zusammenfasst und der längst zum Kultslogan der Popwelt geworden ist. Wobei Russ Meyer eigentlich nur die Attribute Tempo, Sex und Crime möglichst knackig verpacken wollte. Die Kreation des deutschen Filmverleihs „Die Satansweiber von Tittfield“ – sicher nicht unbeeinflusst vom Künstlernamen der Hauptdarstellerin Tura Satana – kann da natürlich lange nicht mithalten, weckt vor allem Assoziationen an schäbige Bahnhofskinos, und dass man in der Topographie des Films vergeblich nach einem Ort namens Tittfield sucht, muss wohl nicht extra betont werden. Aber, zugegeben: „Schneller, Miezekatze! Töte! Töte!“ wäre jetzt auch nicht der Knaller gewesen.

Doch weg von der Verpackung, hin zum Inhalt: Die Idee zum Film lag eigentlich sehr nahe, hatte Russ Meyer doch kurz davor „Motor Psycho“ abgedreht, in dem es ebenfalls um ein marodierendes Trio ging – allerdings bestand dies aus Männern. Die neue Besetzung mit Frauen erwies sich – zumindest langfristig, beim Erscheinen floppte der Film – als sehr viel erfolgreicher und brachte dem notorischen Busenfreund Meyer prompt auch unerwarteten Beifall aus der Lesben- und Emanzipationsbewegung ein. Da nutzte auch der aus dem Off gesprochene moraltriefende Kommentar im Intro nicht, der eindringlich beschwor, nie zu vergessen, dass es sich bei den nun gezeigten Frauen um Verbrecherinnen handele. Haften blieb nur der immens starke Auftritt des Trios, von Russ Meyer in seiner „Ode an die Gewalt der Frauen“ (Plakatwerbung) oft aus niedrigen Warten heraus perspektivisch besonders bedrohlich ins Licht gesetzt. Insbesondere Tura Satana – Tochter einer Indianerin und eines Japaners – als Varla stellt fast so etwas wie einen Archetypus der bedrohlichen und gleichzeitig verführerischen Vampfrau dar und war mit ihrem schwarzen Outfit stilprägend fürs Bad-Girl-Klischee der Film-, Trash- und Comicwelt, bis hin zu Quentin Tarantinos „Death Proof“.

Doch auch eine Tura Satana (mit dem wohl am tiefsten blicken lassenden Dekolleté der Filmgeschichte) hätte es nicht rausreißen können, wenn „Faster, Pussycat!“ nicht tatsächlich ein unerhört guter Film geworden wäre. Wie in allen Epen von Russ Meyer geht es um Sex, um Gewalt, um Geldgier und Intrigen, und natürlich ist auch dies hier ein vorwiegend und vordergründig kommerziellen Interessen geschuldeter Cheapie – der aber der Crazies-on-the-run-Simplizität von „Motor Psycho“ eine überraschend komplexe Konstellation extremer Charaktere entgegenzusetzen weiß.

Mit der anfänglichen Harmlosigkeit des Films, unschuldiger Tollerei der drei leichtbekleideten Nymphen im Wasser, neckische Autorennen in der Wüste, ist es genau in dem Moment vorbei, wo Varla Tommy mit einem bösen Knacken (angeblich soundtechnisch mit einer Walnuss realisiert) das Genick bricht. Wirkt dann der alte Mann im Rollstuhl auf der Farm zunächst wie nur ein weiteres hilfloses Opfer, eröffnet sich eine überraschend dynamische Wendung für den Film daraus, dass er kaum weniger teuflisch als Varla ist (ihre beiden Komplizinnen sind mehr oder weniger Mitläuferinnen). Einst rettete er eine junge Frau vor einem herannahenden Zug und erlitt dabei eine Querschnittlähmung. Nunmehr alle jungen Frauen hassend, lässt er diese, sobald er einer habhaft werden kann, stellvertretend durch seinen Sohn „Blumenkohl“ (im Original „The Vegetable“) töten, einen tumben und zurückgebliebenen Muskelprotz, der nicht begreift, was er da tut.

Die Ränkespiele und sinistren Absichten der verschiedenen Protagonisten führen fast alle Beteiligten in den Tod – schlussendlich geht die unbedarfte Linda als Siegerin aus den kulminierenden Gewaltexzessen hervor. Russ Meyer versteht es meisterhaft, dem in Schwarzweiß abgedrehten Spektakel eine staubige, flirrende Atmosphäre zu geben, in der man die sengende Wüstensonne am eigenen Leib zu spüren glaubt. Und das nur dem Meister des All-American-Trash eigene Talent, die scheinbar unvereinbaren Gegensätze pathetischer Ernst und augenzwinkernde Ironie lässig miteinander zu vermählen, macht „Faster, Pussycat!“ zu einem Quick’n’Dirty-Vergnügen de Luxe.


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