Die Mühle der versteinerten Frauen

Die Mühle der versteinerten Frauen

Die Mühle der versteinerten Frauen (OT: Il Mulino delle Donne di Pietra); Regie: Giorgio Ferroni; Frankreich, Italien, 1960.

Darsteller:
Pierre Brice (Hans von Arnam), Scilla Gabel (Elfi Wahl), Wolfgang Preiss (Dr. Loren Bolem), Dany Carrel (Liselotte Carnin), Herbert A. E. Böhme (Prof. Gregorius Wahl), Liana Orfei (Amilore), Marco Guglielmi (Raab), Olga Solbelli (Selma) …

Inhalt:
Im Rahmen seines Kunststudiums besucht Hans von Arnam eine alte holländische Windmühle, in der, angetrieben vom Mühlrad, eine bizarre Installation Besucher anlockt: Auf einer Art Karussell fahren morbide Skulpturen am Betrachter vorbei, historisierende Darstellungen junger Frauen am Pranger oder am Galgen. Elfi, die rätselhafte Tochter des Besitzers, verliebt sich in Hans, dieser lässt sich verführen, entscheidet sich dann aber doch für seine Jugendfreundin Liselotte. Elfi, die an einer seltenen Krankheit leidet, ist dieser Abweisung nicht gewachsen und erliegt einem Schwächeanfall. Voller Schuldgefühle irrt Hans durch die Nacht, doch am nächsten Tag ist Elfi wieder quicklebendig – und rasend vor Eifersucht. Als dann noch Hans‘ Verlobte Liselotte verschwindet, überstürzen sich die Ereignisse in der alten Mühle …

Kritik:
Die französisch-italienische Koproduktion „Die Mühle der versteinerten Frauen“ gilt zu Recht als absoluter Geheimtipp für Freunde des gepflegten Gothic Horror. Giorgio Ferroni, der ansonsten eher durch einschlägige Sandalenfilme und Western von sich reden machte, gelang mit seinem einzigen Horrorfilm ein Coup d’Éclat, ein atmosphärisches Meisterwerk, das sich nicht vor den besten Vertretern seiner Art aus den Hammer-Studios oder von Mario Bava – dessen Handschrift hier liebevoll zitiert wird, Gerüchten zufolge war er sogar direkt am Film beteiligt – verstecken muss. Bereits die ersten Aufnahmen der wolkenverhangenen holländischen Mühlenlandschaft stimmen den Betrachter ein auf ein Grundgefühl romantischen Schauerns, das bis zum Einblenden der Schlusscredits nicht abreißt.

Die erzählte Geschichte bietet dabei wenig, was man nicht schon kennen würde; in gewisser Weise handelt es sich um eine elegante Vermählung und Neuinterpretation der Topoi aus Georges Franjus „Augen ohne Gesicht“ von 1959 und „Das Kabinett des Professor Bondi“ („House of Wax“) von 1953, gewürzt mit einer Prise Frankenstein. Wie im Thriller von Georges Franju steht ein Vater im Mittelpunkt, der nicht vor Morden zurückschreckt, um seiner schwer erkrankten Tochter zu helfen, und bereits optisch weist das bleich geschminkte Gesicht der kranken Elfi auf die memorable Maske von Christiane aus „Augen ohne Gesicht“ hin. Herbert Böhme, von dem man nach dem Film nie wieder etwas gehört hat, spielt den Mühlenbesitzer mit dunklem Geheimnis mit souveräner Eleganz und weiß speziell im Finale, wenn für ihn alles verloren ist, noch einiges an Empathie und Mitleid zu erwecken. Eine mindestens ebenso interessante Figur ist der sinistre Hausarzt Dr. Loren Bolem, dargestellt von Wolfgang Preiss, der dem deutschen Kinopublikum vor allem in seiner Rolle als Dr. Mabuse haftengeblieben sein dürfte. Längst ist sein Interesse an Elfi mehr als nur ärztlicher Natur, wobei sie allerdings seine Avancen strikt zurückweist. Ansonsten präsentiert er sich als der typische seinem Dienstherrn treu ergebene Handlanger, der alles tut, das dunkle Geheimnis der Mühle zu bewahren.

Pierre Brice als Hans macht seine Sache überraschend gut, und es ist eine Freude, den französischen Schauspieler einmal in einer anderen Rolle als seinem Winnetou zu erleben. Speziell in den Sequenzen, in denen er, von Dr. Bolem durch ein Rauschgift betäubt, an seinem eigenen Verstand zweifeln muss und gleichzeitig von Schuldgefühlen zerfressen ist, zeigt er eine starke und leidenschaftliche Performance. Die heimliche Hauptrolle hat allerdings Scilla Gabel als Elfi inne. Auch wenn ihr von der Darstellungskunst her nicht gerade große Leistungen abverlangt werden, ist ihre schiere Präsenz prägend für den Film. Rein äußerlich eine verführerische Schönheit im Stile einer Sophia Loren oder einer Gina Lollobrigida, geht von ihr gleichzeitig eine beängstigende, dunkle Aura aus, und ihr Charakter ist suspekt. Ihre plötzlich aufbrandende Liebe zu Hans erklärt sich vor allem daraus, dass er für sie ein freies Dasein außerhalb der Mühle verkörpert, und obgleich sie an den Morden zur Erhaltung ihres eigenen Lebens nicht direkt beteiligt ist, billigt sie diese doch und scheint sogar eine grausame Genugtuung darüber zu empfinden. Sie bildet den perfekten Antagonismus zu Hans‘ Jugendfreundin Liselotte, die zwar adrett anzusehen, aber von unbedarfter Naivität und Bürgerlichkeit ist. Es erstaunt einen keine Sekunde, dass Hans der begehrenswerten Elfi zunächst verfällt, zumal die Beziehung zwischen Hans und Liselotte wenig leidenschaftlich erscheint – hierzu passt, dass in einer verworfenen Szene (die auf der DVD enthalten ist) angedeutet wird, dass Liselotte eigentlich besser zu Hans‘ bestem Freund Raab passen würde. In fast schon klassischer Form muss sich Hans zwischen Anima und Ratio entscheiden, zwischen den Verführungen der Nacht und der Sicherheit des Tages.

Insbesondere diese romantisch gefärbten Implikationen geben der Story, die sich ansonsten inklusive finalem Brand der Mühle in den gewohnten Konventionen des Horrorgenres bewegt, die entscheidende Würze. Schlicht großartig passt hierzu das gesamte Setting, beginnend bei der Landschaft über das Lokalkolorit verräucherter Dorfkneipen bis hin zur Mühle selbst, die mit ihren engen und verwinkelten Räumlichkeiten, knarzenden Stiegen und einem veritablen Mad-Scientist-Labor im Keller mit blubbernden Reagenzgläsern und fiesen Blutpumpen für einigen Suspense sorgt. Und dann ist da natürlich noch die titelgebende Grand-Guignol-Attraktion, das Figurenkarussell, welches außerordentlich creepy in Szene gesetzt wurde und sich natürlich immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet, mit schriller Jahrmarktmusik in Gang setzt. All dies verdichtet sich zu einem Bild subtilen Horrors der eher unterschwelligen Art und ergibt einen absoluten Klassiker des Gothic Horror, der weniger durch einzelne herausragende Momente denn durch seine stimmige Gesamtkomposition zu begeistern weiß.


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